358 Aebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1892.
lung der Metallwährung heran. Das Jahr 1892 wird auf immer
bedeutsam sein in der österreichischen Geschichte, wenn dies Werk
endgültig gelingt. Mit überraschender Leichtigkeit setzte trotz der
entgegengesetzten Interessen und Theorien, trotz der Notwendigkeit
des Uebereinstimmens zweier verschiedener Parlamente in Oesterreich
und Ungarn, die Regierung ihren Vorschlag durch. Man that den
kühnen Schritt, zur Goldwährung überzugehen, indem man eine
neue Münze im Werte von 85 deutschen Reichspfennigen schuf, ge-
nannt die „Krone“, eingeteilt in 100 Heller. Zwei Kronen (also
170 deutsche Reichspfennige) sollten für einen alten „Gulden“ in
Zahlung gegeben werden dürfen. Ursprünglich war der Wert des
österreichischen Guldens gleich 200 deutschen Reichspfennigen (zwei
Mark) gewesen, aber unter der Papierwährung und der Wertver-
änderung des Silbers hatte er thatsächlich diese Bedeutung längst
verloren. Nach einem billigen Ermessen war daher der Wert der
neuen Münze und die Umrechnung so bestimmt, wie etwa die Be-
wertung des Guldens sich im Durchschnitt der letzten Jahre that-
sächlich gestellt hatte.
Mit dem Beschluß der gesetzgebenden Gewalten ist nun frei-
lich das Werk noch nicht vollendet, es handelt sich nun darum,
durch Finanzoperationen das nötige Geld zu beschaffen. Aber da
Oesterreich-Ungarn in der glücklichen Lage ist, sein Budget nicht
bloß zu balancieren, sondern sogar mit Ueberschüssen abzuschließen,
so erscheint es nicht unmöglich, das Ziel zu erreichen. National-
ökonomen sehen freilich großes Unheil für das gesamte wirtschaft-
liche Leben der Kulturwelt daraus erwachsen, da Oesterreich, um
seine Reform durchzuführen, auf mehrere Jahre die gesamte Gold-
produktion der Erde für sich in Anspruch nehmen werde, und der
mangelnde Zuwachs an Umlaufsmitteln unausgesetzt einen lähmen-
den Preisdruck auf Industrie und Handel ausüben müsse (val. die
beiden Aufsätze von Prof. Scharling in den „Preuß. Jahrb.“ Band
70 und Band 71 Heft 1).
Während dieser Verhandlungen schien sich Graf Taaffe der
deutschen Linken mehr und mehr zu nähern. Da die böhmischen
Ausgleichsverhandlungen durch die Obstruktion der Tschechen zum
Stillstand gebracht wurden, so errichtete die Regierung auf eigene