32 VDas Denische Reih und seine einzelnen Glieder. (Jannar 28.)
geben, ich glaube, daß es eine Gefahr für den Staat werden kann, wenn
tausende von Kindern herumlaufen, ohne irgend etwas von Gott auch nur
gehört zu haben. Rechnen müssen sie können, lesen müssen sie können, sie
müssen schließlich wissen, wer Schiller und Goethe war, aber daß es einen
Gott gibt, sollen solche Kinder nicht erfahren. Ich glaube, daß diese schwie-
rige Frage aber auf dem Boden dieses Schulgesetzes kaum zu lösen sein
wird. Diese schwierige Frage ist in dem Moment geschaffen worden, wo
man in unserem Vaterland die Zivilehe eingeführt hat, die Personenstands-
register, welche den Taufzwang erübrigten, welche es in unserem Vaterlande
ermöglichten, daß die Leute vollständig außerhalb des Schattens der Kirche
eben konnten.
Abgeordneter v. Eynern (nat.-lib.):
Der Herr Abgeordnete Porsch hat eine Reihe von Thesen mitgeteilt,
die in einer Versammlung eines Zweigvereins des evangelischen Bundes in
irgend einer Stadt in Westfalen beschlossen worden sein sollen. Meine
Herren, ich habe diese Thesen nicht im einzelnen verfolgen können — es
kommt ja immer auf die Auslegung derselben an —; ich glaube, es ist in
all’' diesen Thesen von einer Mitwirkung der Kirche gesprochen und nicht
von einer Herrschaft der Kirche, und da liegt ja der wesentliche Unterschied,
der zwischen uns vorhanden ist. Wenn sich der Herr Abgeordnete Porsch
für die Stellung des evangelischen Bundes interessiert, so wird er wohl später
Gelegenheit dazu haben. Einstweilen empfehle ich ihm zum Studium den
Artikel im „Deutschen Wochenblatt", den Professor Beyschlag geschrieben
hat, der mitten im evangelischen Bunde steht, einer der wirkenden Kräfte
des evangelischen Bundes ist, welcher die Auffassung teilt, die wir über den
Gesetzentwurf der Königlichen Staatsregierung hier bisher vertreten haben.
Meine Herren, der Herr Abgeordnete Stoecker hat seine Rede gestern
damit eingeleitet, daß er meinte, nach der Rede des Abgeordn. Enneccerus
sei es überhaupt ausgeschlossen — diese Rede beweise das —, daß eine Ver-
ständigung der konservativen Partei mit der national-liberalen Partei mög-
lich sei. Ich weiß nicht, was Herrn Stoeecker berechtigt, namens seiner
politischen Freunde eine derartige, sichere Meinung auszusprechen. Nach den
Vorgängen, wie sie sich im vorigen Jahre zwischen uns, den damals be-
freundeten Parteien, abgespielt haben, erscheint das Gegenteil richtig. Wir
haben in der Kommission unter Zugrundelegung des Gesetzentwurfs des
Herrn Ministers v. Goßler ein Volksschulgesetz durchberaten und wir haben
uns fast vollständig in allen Punkten geeinigt. Zwischen den Konservativen
und den Liberalen war eine feste Grundlage der Vereinbarung gefunden
worden. Das ist in langen und ernsten und schwierigen Beratungen ge-
schehen. Zweifellos hat jeder Teil von uns, jede Seite dieses Hauses einen
Teil der Schulmeinungen, von denen sie beseelt ist, ablegen müssen; aber
die Verständigung war geschehen. Das Gesetz wäre auf der Grundlage
dieser Verständigung zu stande gekommen, wenn nicht der Einfluß der Zen-
trumspartei und des Herrn Abgeordneten Windthorst die Vereinigung ge-
hindert hätte, wenn nicht durch den Widerspruch und durch den großen
Einfluß des Führers der Zentrumspartei und seiner Hintermänner und der
Leiter der katholischen Kirche es gelungen wäre, den Herrn v. Goßler mit-
samt seinem Entwurf zur Seite zu schieben.
Seitdem ist dieser neue Entwurf gekommen, der eine wesentliche Ver-
änderung der damaligen Vorlage herbeiführt. Der damalige Entwurf er-
hielt die Staatsschule intakt; er räumte der Kirche kein Kondominium, kein
Recht auf Mitherrschaft ein, während dieser Entwurf das gerade Entgegen-
gesetzte herbeiführt. Das ist der feststehende und unbedingte Unterschied