Das Vensche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 28.) 43
nicht behindert, sich irgend einen jungen fähigen Assessor zu nehmen und
dem die ganzen Arbeiten zu übertragen. Und was für einen Einfluß das
junge Assessorentum bei unseren Regierungen ausübt, wie lästig die ange-
lernten Sachen, die sie sofort praktisch ausüben wollen, häufig den Gemeinden
sind, ja, meine Herren, davon müssen Sie wirklich einmal, wenn Sie in
einer großen Gemeinde thätig sind, ein Bild bekommen.
Wir haben Verfügungen bekommen, die entscheidend in unseren ganzen
kommunalen Fragen sind, die die größten Opfer unseren Gemeinden aufer-
legen in materieller Beziehung; wir haben Reskripte gekriegt von jungen,
eben der Universität entwachsenen Regierungsassessoren, welche Verfügungen
der wichtigsten Art trafen und die mit einer Sicherheit urteilten, welche
ganz im Verhältnis zu der Unkenntnis stand, in der sie sich über die ein-
zelnen Fragen befanden. Und, meine Herren, dieser Zustand könnte hier
faktisch mit Aufhebung der Schulabteilung durchgeführt werden in Bezug
auf das Volksschulwesen! Der Regierungspräsident — namentlich dann,
wenn er nebenbei noch ein Mandat hier im Abgeordnetenhause ausübt —
kann doch unmöglich die Arbeit der Beaufsichtigung des ganzen Volksschul-
wesens in die Hand nehmen, ohne Männer zur Seite zu haben, die dafür
ein sicheres Verständnis besitzen, ja er kann es auch nicht ohne einen kolle-
ialischen Beirat, der die schnellen Entschlüsse und Entscheidungen maßvoll
Hbindert, und in ruhiger Erwägung auch der Gegenseite das Recht zur Be-
arbeitung und Beurteilung der Fragen gibt. Und nun wollen Sie, daß
der Regierungspräsident das ganze Volksschulwesen ohne Kollegium in die
Hand nimmt. Nun können ja auch politische Strömungen kommen, und
wenn der Regierungspräsident angewiesen wird von oben: arbeite du in der
und der Richtung —, dann werden sich neben den Regierungspräsidenten,
neben den dann vielleicht noch vorhandenen alten Räten ein junger Herr
einfinden, der nach einer bestimmten Richtung hin Anweisungen ausführt
und der in die Selbständigkeit der Städte und die Selbständigkeit der Ge-
meinden in bisher unbekannter Weise eingreift.
Meine Herren, wir wollten dann den Religionsunterricht in dem
Volksschulgesetz, wie wir es uns wünschen, in gesunder Weise und unter
Wahrung des legitimen Einflusses der Religionsgesellschaften gestaltet sehen.
Aber wir wollten ihn nicht ausgeführt sehen durch pietistisch und ultramon-
tan geschulte Lehrer, wie sie hier aus diesen Examinas hervorgehen werden
unter ständiger Aufsicht der geistlichen Oberen, die unter staatlicher Autori-
tät ihr Bekenntnis dogmatisch auslegen.
Ich will hier noch einen Unterschied kurz berühren in Bezug auf eine
Einzelfrage, die Bildung des Schulvorstandes. Der Herr Minister hat vor-
gestern betont, wobei er sich auf meine Ausführungen im Hause bezog, die
Schulvorstände in seinem Entwurf beständen schon in großen Teilen des
Bergischen Landes, auch in der Stadt Barmen. Meine Herren, das sind
nicht die Schulvorstände des Entwurfs. Wir haben in unsern Städten für
jede Schule einen Schulvorstand, bestehend unter andern aus drei Mitglie-
dern der kirchlichen Gemeinde. Aber diese Mitglieder werden nicht gewählt
durch freie Wahl — wir führen kein neues Wahlrecht ein —, sondern sie
werden von der Schuldeputation der Stadt ernannt, und diese Schuldepu-
tation ist ein Organ der staatlichen Schulverwaltung. Es ist hier also gar
kein freies konfessionelles Recht, keine rechtliche Ausführung nach konfessio-
neller Richtung, nach irgend einer Richtung hin; es ist eine Verwaltungs-
organisation, die sich ganz gut bewährt hat. Aber wenn diese Einrichtung
nach der Richtung des Entwurfs hin abgeändert werden sollte, dann würden
wir das beklagen. Daneben ist auch der Geistliche nicht als Geistlicher Mit-