Das Verische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jannar 28.) 45
statten. Aber, meine Herren, es ist doch absolut irrtümlich, wenn man
glaubt, daß der Geistliche zu Friedrichs des Großen Zeiten die Herrschaft
über die Schule gehabt habe. Alles, was der Geistliche in der Schule zu
sagen hatte, das hatte er zu sagen kraft des ihm vom Staate übertragenen
Amtes; er war der geistliche Schulinspektor, er übte ein Staatsamt aus.
Den Beweis dafür mag Ihnen das Generallandschulreglement vom 12. Aug.
1763 geben, das Friedrich der Große gleich nach dem siebenjährigen Kriege
erließ, worin er die Prediger anwies, ihre Beaufsichtigungspflicht in den
Schulen auszuführen.
Er sagte in diesem Reglement: „Welcher Prediger aber wider Ver-
muten in Besuchung der Schulen, Wahrnehmung der in diesem Reglement
ihm auferlegten Pflichten sich säumig oder nachlässig finden und nicht ernst-
lich sich wird angelegen sein lassen, die Küster und Schulmeister zu der
genauesten Beobachtung dieses Reglements anzuhalten, soll, falls es erweis-
lich, daß er denen ihm solcherhalb geschehenen Erinnerungen, gebührlich nicht
nachgekommen, entweder auf eine zeitlang cum ettectu fuspendiert oder auch
wohl gar dem Befinden nach seines Amtes entsetzt werden: allermaßen die
Fürsorge für den Unterricht der Jugend und die gehörige Aufsicht darauf,
mit zu den wichtigsten und vornehmsten Pflichten des Predigtamts nicht
allein gehört, sondern Wir auch selbige ausdrücklich als solche dafür ange-
sehen wissen wollen.
Er wollte den Geistlichen seines Amtes entsetzen, wenn er in der
Schule nicht das that, was die Staatsautorität für richtig erachtete. Sie
werden mir doch zugestehen, daß da nicht der Geistliche, sondern daß es der
Staat war, der den Einfluß auf die Schule hatte und ihn ausübte.
Was die Verhandlungen Friedrichs des Großen in Bezug auf die
katholischen Schulen betrifft, so hat er schon 20 Jahre vor diesem Restkript
ausgesprochen, daß er ebenso wenig dem Papst als irgend einer anderen
puissance oas Recht einräume, seinen Unterthanen etwas vorzuschreiben,
was in die Politik einschlage, desgleichen die Erziehung der Kinder un-
streitig ist.
Also berufen Sie sich doch gütigst mit diesem Gesetzentwurf, der der
Kirche, den Geistlichen diese Rechte einräumt, doch nicht auf die friederi-
zianische Tradition; Friedrich der Große gehört uns, aber nicht Ihnen.
Bielleicht findet auch der Herr Kultusminister in seinen Familienpapieren
— ich setze voraus, daß der Minister seines Namens aus der Zeit Friedrichs
des Großen stammverwandt mit ihm ist — vielleicht findet er auch dort,
daß der Geist Friedrichs des Großen ein ganz anderer war, als derjenige
ist, der in dieser Vorlage zum Ausdruck kommt. Friedrich der Große
setzte den Le#n v. Zedlitz an die Spitze des Schulwesens im Jahre 1771,
unter der Voraussetzung und Zustimmung des betreffenden Ministers, daß
er nach den Grundsätzen des großen Königs sein Amt verwalten wollte,
Und die Grundsätze des Königs über die Erziehung des Volkes waren in
seiner Schrift „sur l'éGducation“ niedergelegt. Darin sagt Friedrich der
Große: „Ich bin überzeugt, daß man aus dem Menschen machen kann, was
man will; alles, was den Geist erhellt, alles, was den Kreis der Erkenntnis
erweitert, erhebt die Seele, statt sie herabzustimmen.
Das sind die großen Grundsätze, nicht kleinliche, konfessionelle, nach
denen Friedrich der Große die Schule geleitet haben wollte.
Was nun in dem Gesetzentwurf die Anordnung über das Privat-
schulunterrichtswesen betrifft, so hat Herr Abgeordneter Richter diese Be-
stimmung des Entwurfs lebhaft unterstützt. Im übrigen hat er sich sehr
entschieden gegen den Entwurf in seinen übrigen Teilen gekehrt. Er ist
da in eine starke Differenz mit seinen bisherigen Freunden, den Ultra-