46 Das Dentsche Reihh nud seine einzelnen Slieder. (Januar 28.)
montanen, geraten. Der Abgeordnete Richter wird nun anerkennen müssen,
daß die Vorlage dieses Unterrichtsgesetzes nur eine Konsequenz ist der
Macht, die das Zentrum im Staate ausübt. Und an der Stärkung dieser
Macht hat der Herr Abgeordnete Richter durch seine Haltung in den letzten
Jahren sehr wesentlich beigetragen. Er lernt nun vielleicht aus der Vor-
legung dieses Unterrichtsgesetzes, wohin es führt, wenn man zu bestimmten
Partei= oder Wahlzwecken mit dem Zentrum kokettiert oder gar paktiert.
Volksversammlungen, die nunmehr zum Zweck großer Entrüstung über
diesen Entwurf angebracht sein mögen, machen auch diese Thätigkeit der
Partei seit langen Jahren nicht wieder gut.
Ich habe das aussprechen müssen, weil der Standpunkt, auf dem
wir stehen, und mit dem wir dieses Unterrichtsgesetz bekämpfen, derjenige
Standpunkt ist, den wir immer eingenommen haben, auch dann, als wir
auf die Unterstützung unserer Freunde nach links nicht mehr rechnen konnten.
Es freut mich und ich nehme das dankbar an, daß jetzt von seiten des
Abgeordneten Richter und seiner politischen Freunde uns eine gewisse
Bundesgenossenschaft angeboten wird. Meine Herren, in dieser Bundes-
vereinigung übernehmen wir die Führung und haben das Recht, die Führung
zu übernehmen.
Im übrigen, meine Herren, ist das Gesamturteil über die Frei-
gebung des Privatunterrichtswesens ein solches, daß ich mich der Auffassung
des Abgeordneten Richter nicht nähern kann, sondern vielmehr der des Ab-
geordneter Dr. Enneccerus. So vielfach werden zwar nach meinem Dafür-
halten die freien Schulen nicht eingeführt werden, denn dazu fehlt es an
Geld bei den Religionsgesellschaften, aber sie durchbrechen das ganze Prinzip
der Staatsschulen. Ich glaube, eine derartige Freigebung des Privatschul-
unterrichtswesens ist nicht wünschenswert nach vielen Richtungen hin. Ich
glaube, wenn die Königliche Staatsregierung ihre Vorschläge noch einmal
prüft nach den Erscheinungen, wie sie sich äußerlich kundgeben, namentlich
nach den Erscheinungen, wie sie sich hier bei der Sozialdemokratie kund-
gegeben haben, — so wird sie vielleicht auch sagen: mit dieser Bestimmung
des Gesetzes eröffnet man der Errichtung von Agitationsschulen Thor und
Thür. Ich weise auf Herrn Kuhnert und auf dessen Thätigkeit hin. Ich
speziell wünsche, die Freiheit des Unterrichts nach dieser Seite hin gerade
nicht zu haben. Ich sehe auch voraus, daß nach den Konzessionen, die dem
Zentrum seitens der Staatsregierung fortgesetzt gemacht werden, es nur
noch eine Frage der Zeit ist, daß die Jesuiten zurückkommen und daß ihnen
Gelegenheit gegeben wird, ihre alten Niederlassungen wieder neu zu gründen.
Ich glaube, daß das Staatsministerium sich doch wohl überlegen muß, ob
es nach der Rückkehr dieser Väter Jesu, deren Bestrebungen eine derartige
Unterstützung bieten kann, daß dieselben ihr Unterrichtswesen in freier
Weise gestalten können.
Zum Schluß meine Herren! Der Herr Kultusminister hat die Be-
hauptung meines Freundes Sattler, sein ganzer Gesetzentwurf sei nur die
Ausführung der Windthorst'schen Anträge, lebhaft zurückgewiesen. Er hat
gesagt: dem Wortlaut nach ist das nicht der Fall; ich glaube auch, er hat
gesagt: dem Geiste nach ist es nicht der Fall. Meine Herren, ich will eine
kleine Erinnerung an einen Vorgang auffrischen, der im November 1879
spielte, als ich eben in das Haus eingetreten war. Da wurde eine Adresse
überreicht von römisch-katholischen Priestern Schlesiens an den Kultus-
minister, deren Forderungen damals, obgleich wir noch mitten im Kultur-
kampf standen, selbst von der Zentrumspartei als etwas zu weit gehend,
von den übrigen Herren mit einer gewissen Heiterkeit betrachtet wurden.
Diese Adresse an den damaligen Kultusminister hatte folgenden Wortlaut: