Das Neentsche Reich und seine einzeluen Glieder. (Februar Anf.—7.) 67
wisser Wechsel in meinen Anschauungen vor sich gegangen sei — so unge-
fähr war der Sinn.
Das ist nun ein eigentümliches Geschick. Der Herr Abgeordnete
Rickert legt ebenso großen Wert wie ich darauf, daß die Verhandlungen
zwischen den Parteien und der Regierung sich in möglichst guten Formen
bewegen; wenn aber aus einem Tone, der nun einmal etwas häöflicher ist,
als er ein anderesmal war, geschlossen werden sollte, daß ich meine Ansichten
geändert habe, und, wenn Sie aus meinem heutigen Tone schließen wollen,
daß ich über die Dinge anders denke, als gestern, dann würde mein Ton
zu einem Mißverständnis geführt haben, und mir würde dann nur übrig
bleiben, immer in einem schroffen Tone zu sprechen.
Ich bin gestern in diesen Ton vielfach nur durch die Stimmung auf
dieser Seite des Hauses gekommen, denn an einem wesentlichen Teile meiner
Erörterungen tönte mir wiederholt der Ruf entgegen: „Empörend!“ Ja,
ich bin an so etwas noch nicht gewöhnt; und es ist ja möglich, daß ich
mir das mehr zu Herzen nahm, als es vielleicht nötig war. Geändert ist
meine Stellung zwischen gestern und heute nur insofern, als ich heute ge-
lernt habe, daß es mit der großen liberalen Partei, die, wie ich nun sehe,
eigentlich ein Werk des Herrn Abgeordneten Rickert hätte sein sollen, nichts
ist. Meine Stellung zu den vorliegenden Gesetzentwürfen ist heute dieselbe,
wie sie gestern gewesen ist, und wie sie morgen sein wird. (Bravol)
Anf. Februar. Der Kaiser verleiht dem italienischen Minister-
präsidenten Marquis de Rudini den Schwarzen Adlerorden.
Anf. Februar. Der „Vorwärts“ veröffentlicht einen Erlaß
des Prinzen Georg von Sachsen, datiert vom 8. Juni 1891, über
Soldatenmißhandlungen.
Anf. Februar. (Preußen.) Der Minister der öffentlichen
Arbeiten erläßt Bestimmungen über die Bildung von Arbeiter-
ausschüssen bei den Eisenbahnen.
6. Februar. Der „Palästina-Verein für die Katholiken
Deutschlands“, in dessen Vorstande sich u. a. die hervorragendsten
katholischen Parlamentarier, wie Dr. Frhr. v. Schorlemer-Alst,
Dr. Frhr. v. Heeremann, Graf Ballestrem u. s. w. befinden, ver-
sendet seinen Jahresbericht, dessen Schlußsätze lauten:
„Frankreich hat seine Vormachtstellung in der Beschützung der katho-
lischen Interessen seit den siebziger Jahren auf Deutschland übergehen lassen.
Das katholische Deutschland bildet die stärkste Phalang in dem Kampfe für
die Rechte der Kirche. So möge es denn auch die Spitze nehmen in Ver-
teidigung dieser Rechte auf dem Boden des heiligen Landes.“
6. Februar. Der Gesandte auf Wartegeld, Graf Limburg-
Stirum, Führer der Konservativen im Abgeordnetenhause, wird
disziplinarisch zur Dienstentlassung verurteilt wegen scharfer publi-
zistischer Angriffe auf die Regierung.
7. Februar. Der Botschafter Italiens beim Deutschen Reiche,
Graf Launay f.
7. Februar. Auf 340 Millionen deutsche und preußische
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