N#s Bentsche Reich und seine einzeluen Glieder. (Nov. 22.—25.) 153
rung in Bezug auf die Arbeiten des kommenden Reichstags erkundigt hatte,
erklärte der Reichskanzler, daß die verbündeten Regierungen und die preu-
ßische Regierung bereit wären, für die Landwirtschaft zu thun, was sie
könnten, und erwähnte bei dieser Gelegenheit z. B. die Novelle zum Gesetz
über den Unterstützungswohnsitz und die Einrichtung von Landwirtschafts-
kammern in Preußen. Im Anschluß hieran gab der Reichskanzler der An-
sicht Ausdruck, daß damit allerdings eine durchgreifende Hilfe nicht gegeben
sei, und erkundigte sich dann, wie es mit dem unter Mitwirkung des Herrn
v. Manteuffel innerhalb der Kommission für das Bürgerliche Gesetzbuch
unternommenen Versuch, das Agrarerbrecht zu reformieren, stehe. eiter
bemerkte der Reichskanzler, daß er in der Verschuldung durch Erbteilungen
und in der zeitweise über den realen Wert hinausgegangenen Steigerung
der Güterpreise einen wesentlichen Grund für die gegenwärtige Kalamität
zu erkennen glaube. Zu stark verschuldete Besitzer würden sich auch unter
Einschränkungen auf die Dauer nicht halten können.
Der Reichskanzler gab, ebenso wie in der Sitzung des Reichstags
vom 10. Dezember 1891, zu erkennen, daß er dies als eine sehr bedauer-
liche Perspektive betrachten würde. Weder Wortlaut noch Sinn seiner Aeuße-
rungen würden zu einer anderen Auffassung berechtigt haben. Die Unter-
haltung ist von beiden Seiten in wohlwollendem Ton zu Ende geführt
worden.
In agrarischen Blättern war behauptet worden, der Kanzler
habe den Landwirten gleich ein Abschreiben von 50% empfohlen. Auch
Abg. v. Manteuffel dementiert, daß der Kanzler das gesagt habe.
22. November. (Bayern.) Die Kammer der Abgeordneten
lehnt den Antrag der Liberalen, die Steuerfreiheit der Standes-
herren aufzuheben, mit 76 gegen 67 Stimmen ab, nimmt dagegen
den Antrag des Zentrums nach lebhafter Debatte an, nach welchem
eine Enquete vorgenommen werden soll über den fiskalischen Um-
fang dieser Steuerfreiheit, um den Betrag festzustellen, welcher für
die eventuelle Ablösung innerhalb der verfassungsmäßigen Zulässig-
keit erforderlich wäre.
Der Minister des Innern Frhr. v. Feilitzsch erklärt, eine solche En-
quete werde angestellt werden, dieselbe würde aber in der gegenwärtigen
Legislaturperiode kaum mehr abgeschlossen werden können.
23. November. (Kiel.) Bei der Vereidigung der Marine-
rekruten hält der Kaiser ungefähr folgende Ansprache:
„Da Ihr nun zur Fahne geschworen habt und Mir den Eid der
Treue geleistet, so seid Ihr vor allen Dingen auf Euern Eid verpflichtet.
Seid gehorsam gegen Eure Vorgesetzten, und bei allen Reisen ins Ausland
sollt Ihr die Flagge ehren durch Euer gutes Benehmen fremden Nationen
gegenüber. Mein Auge wacht über alles, und Ich werde denjenigen, die ihren
Verpflichtungen in jeder Beziehung nachkommen, meine Anerkennung zollen.“
23.—25. November. (Reichstag.) Beratung über die Han-
delsverträge mit Spanien, Rumänien und Serbien. Die Kon-
servativen greifen die Regierung aufs heftigste an.
Die Verträge werden an eine Kommission verwiesen.