154 Nas Deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Nov. 24.—27.)
24. November. Die „Kreuz-Zeitung“ bringt „Stim-
mungsbilder aus landwirtschaftlichen Kreisen“, in denen
es heißt:
Die Regierung züchtet damit (mit ihrem Verhalten gegenüber der
Landwirtschaft — ist gemeint) künstlich Sozialdemokraten und Bettler, und
das aus dem Volke Kaiser Wilhelm I., kaum fünf Jahre nach seinem
ode ....
Nach der Reichstagseröffnungsrede wird die Caprivi'sche Politik an
Allerhöchster Stelle gebilligt. Wenn die Leute nun fragen: Se kennen doch
den Kaiser, warum litt de denn so'n Wirtschaft? Weinen muß man —
wenn man darauf schweigen muß, weinen — nicht darüber, daß damit die
Sozialdemokraten gewonnenes Spiel haben, sondern darüber, in wie er-
schreckendem Maße die Liebe zu unserem Königshause und zum Vaterlande
abnimmt . . ..
Der einfache Sinn des Bauern rechnet sich heraus, daß er mit seinem
sauer verdienten Gelde die Freundschaft der Oesterreicher und Italiener nicht
nur hat erkaufen müssen, sondern daß wir jetzt auch, um den Russen zum
Frieden zu bringen, diesem Tribut zahlen müssen. Die Leute haben gar
nicht so unrecht, aber was würde Friedrich der Große, was der Große
Kurfürst sagen, wenn er seine Märker so reden hörte, die märkischen Bauern,
mit denen er die ganze damalige Welt siegreich bezwungen. Den Frieden
erkaufen! Pfui, für jeden Preußen ein empörendes Wort! — aber sind
wir denn so weit ab?
Opfern wir den Russen jetzt die ganze Landwirtschaft mit zwanzig
Millionen Menschen, na, dann wollen wir doch schnell auch mit den Fran-
zosen Frieden machen, die verlangen ja viel weniger, bloß das bischen
Elsaß-Lothringen mit den paar Millionen Menschen darin, die uns nicht
mal viel nützen
„Wir müssen den Handelsvertrag mit Oesterreich und Italien zer-
reißen und wenn's mit dem Schwert in der Faust sein muß! Besser ein
ehrlicher Kampf auf Tod und Leben, als dies Verhungern bei leben-
digem Leibe!“
24.—25. November. Aufenthalt des Kaisers zur Jagd in
der Göhrde in Hannover.
26. November. Anschlag auf den Kaiser und den Reichs-
kanzler Grafen v. Caprivi durch aus Orleans an ihre Adressen
gesandte Päckchen, die Pulver enthalten. Beide Packete werden recht-
zeitig erkannt und richten keinen Schaden an.
27. November. (Reichstag.) Erste Beratung des Etats.
Der Reichshaushalt für 1894 95 ist in Einnahme und Ausgabe auf
1,305,632,229 ¼ festgestellt und zwar auf 1,082,884,697.X an fortlaufenden,
auf 83,925,726 +4 an einmaligen Ausgaben im ordentlichen und auf
138,821,820 +4 an einmaligen Ausgaben im außerordentlichen Etat.
Der Etat des auswärtigen Amtes erfordert 10,323,840 /, ein Mehr
von 187,935 M
An einmaligen ordentlichen Ausgaben 200,000 /∆ zur Beihilfe für
wissenschaftliche Bestrebungen in Zentralafrika und anderen Ländern; 1 Mil-
lion Mark für die südwestafrikanischen Schutzgebiete; 3/% Million Mark für
die ostafrikanischen Schutzgebiete (1 Million mehr).
Reichsamt des Innern: 27,213,055 X, mehr 1,371,540.“4, für die