Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

Hie Gesterreigisch-Ansarische Monarchie. (Februar 16.—27.) 173 
der deutschen Sprache zukommenden besonderen Stellung und die Aufrecht- 
erhaltung der Grundsätze des Reichs-Volksschulgesetzes, dann die Erhaltung 
des sozialen und konfessionellen Friedens beziehen, den grundlegenden An- 
schauungen der Partei entsprechen, für welche dieselbe jederzeit eingetreten 
ist und welche sie auch künftighin mit Entschiedenheit vertreten wird. Da- 
gegen rufen die im Programme enthaltenen weitergehenden Vorbehalte be- 
züglich der Rechte der Exekutive und der administrativen Praxis ernste Be- 
denken wach; gilt dies schon von der Sprachenfrage, so halten wir uns 
überdies insbesondere bezüglich der Schulverwaltung für verpflichtet, aus- 
drücklich zu erklären, daß die religiösen Gefühle der Bevölkerung, die wir 
hochhalten und geschützt wissen wollen, durch die bestehende Reichs= und 
Landesgesetzgebung über die Schule keinerlei Beeinträchtigung erfahren, daß 
wir daher eine administrative Praxis, welche dem Geist und lebendigen In- 
halte des Reichs-Volksschulgesetzes widersprechen würde, unmöglich gutheißen 
könnten. Die Partei erklärt bei diesem Anlasse, daß sie im Interesse der 
Lösung einer der wichtigsten Aufgaben der inneren Politik, für welche zu- 
gleich bindende Verpflichtungen vorliegen, die Bestrebungen der deutsch- 
böhmischen Abgeordneten auf wirksame Fortführung der Ausgleichsaktion, 
insbesondere aber der nationalen Bezirksabgrenzung in Böhmen nach wie 
vor mit aller Macht unterstützen wird. Das politische Verhalten der Partei 
gegenüber der Regierung wird wesentlich von der Art der Handhabung der 
im Programm aufgestellten Sätze sowie von dem allgemeinen Geiste der 
Verwaltung abhängig sein; bei Beratung der einzelnen sachlichen Regierungs- 
vorlagen wird sich die Partei die freie Hand wahren und dabei sich auch 
ihrerseits von dem aufrichtigen Bestreben leiten lassen, wirtschaftliche, ge- 
werbliche, Verkehrs= und sozialpolitische, sowie Justiz= und Steuerreformen 
zu fördern."“ 
Der Polenklub nahm das Regierungsprogramm für die Bil- 
dung einer Mehrheit zur Kenntnis und erklärte sich bereit, die 
Regierung im Sinne des Programms zu unterstützen; sachliche Prü- 
fung, sowie die Entscheidung über die einzelnen Vorlagen behielt 
sich der Klub jedoch vor. 
Der konservative Klub nahm das Programm gleichfalls zur 
Kenntnis, sprach aber sein Bedauern darüber aus, sehr ernste Be- 
denken gegen verschiedene Punkte des Programms vorbringen zu 
müssen. Der Klub behielt sich eine sachliche Prüfung der Vorlagen 
vor und erklärte, keinen Anlaß zu haben, seine Stellung gegenüber 
der Regierung zu ändern. 
16. Februar. (Osterreichisches Abgeordnetenhaus.) Der 
Jungtscheche Vasaty greift den Präsidenten des obersten Gerichts- 
hofes, Stremayr, auf heftigste an wegen eines Erlasses, worin die 
nichtdeutschen Sprachen als „fremde Sprachen“ bezeichnet waren. 
Unter steigendem Tumult der Jungtschechen wird der Erlaß ver- 
lesen und aus dem Lärm heraus ruft der Jungtscheche Graf Kaunitz: 
„Unverschämte Beamtenbagage!" 
27. Februar. Bei der Wahl eines Landtagsabgeordneten für
	        
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