Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

Vie Gesterreichistz-Augerische Monarie. (Mai 17.) 179 
gerichts in Trautenau auf die Tagesordnung der Sitzung vom 
Mittwoch werde gestellt werden. Die Jungtschechen suchen den 
Oberst-Landmarschall am Weitersprechen zu verhindern. Derselbe 
erklärt hierauf, eine Deputation der Jungtschechen habe bei ihm 
den Wunsch nach Vertagung der Angelegenheit, betreffend Trau- 
tenau vorgebracht, alle anderen Parteien des Hauses hätten aber 
erklärt, daß sie auf eine baldige Verhandlung wert legen. Da 
dieser Wunsch der Mehrheit respektiert werden müsse, so gelange 
die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung. Da 
diese Erklärung aufs Neue einen Tumult hervorruft, schließt der 
Oberst-Landmarschall die Sitzung. 
In der Adreßkommission des Landtages begründet der Jung- 
tscheche Gregr seinen Adreßentwurf. Graf Schoenborn erklärt, der 
Großgrundbesitz entsage dem staatsrechtlichen Gedanken nicht, doch 
sei eine Realisierung des Staatsrechts nur möglich, wenn sich in 
Böhmen eine neue Volkspartei bilden werde. Er beantragt den 
Übergang zur Tagesordnung, da keine Anderung eingetreten sei, 
welche die überreichung einer Adresse begründete. Mattusch erklärt 
sich gegen die Adresse, solange die deutschen Abgeordneten an ihrem 
Widerspruch gegen dieselbe festhielten. Solange die Deutschen gegen 
das Staatsrecht seien, sei eine Verwirklichung desselben unmöglich. 
Er bedauere die Entfernung der deutschen Abgeordneten aus der 
Adreßkommission, da hierdurch eine Aufklärung der Deutschen über 
das Staatsrecht unmöglich gemacht sei. Prinz Friedrich v. Schwarzen- 
berg spricht ebenfalls sein Bedauern über diese Entfernung aus. 
17. Mai. (Pest.) Im Abgeordnetenhause bringt der 
Kultusminister unter lebhaften Ovationen des ganzen Hauses einen 
Gesetzentwurf über die freie Religionsübung ein. Die Hauptbe- 
stimmungen desselben sind: 
Jede Religion darf frei bekannt und geübt werden innerhalb der 
durch die Sittengesetze gezogenen Schranken. Zu einer religiösen Handlung 
darf niemand gezwungen werden. Die Beschränkungen in der Amtsbefähigung 
durch die Religion werden abgeschafft. Kirchliche Strafen dürfen wegen Be- 
folgung gesetzlicher Bestimmungen nicht verhängt werden. Jede Konfession 
kann unter Einreichung detaillierter Vorschriften um die gesetzliche Rezi- 
pierung einkommen, worauf dieselbe mit den anderen Religionen gleich- 
berechtigt ist. Die Kirche darf keine körperliche, keine Gefängnis= oder Geld- 
strafe verhängen und darf Grundbesitz nur zu kirchlichen und Schulzwecken 
erwerben. Die Geistlichen müssen Ungarn sein und eine in Ungarn aner- 
kannte Befähigung besitzen. Der Minister kann die Entfernung der Geist- 
lichen wegen Staatsfeindlichkeit verlangen. Sollte die Gemeinde nicht ge- 
horchen, so wird fie aufgelöst. Mehrere Gemeinden müssen eine höhere Or- 
ganisation haben, welche sie der Behörde gegenüber vertritt, doch darf das 
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