190 Jie Gesterreichisch-Augarische Monarchie. (September 17.—25.)
17. September. Kaiser Franz Joseph empfängt in Güns
Deputationen, die zu seiner Bewillkommnung erschienen sind, und
hält an dieselben Ansprachen.
Die Ansprache des Bischofs Zalka im Namen des katholischen Klerus
beantwortete der Kaiser mit dem Ausdruck der Hoffnung, die katholische
Geistlichkeit werde auch gegenwärtig eifrig zu der Erreichung des Zieles mit-
wirken, daß bei der Wahrung der Würde des Staates und der Kirche die
öffentlichen Interessen und der so sehr erwünschte religiöse Friede keinen
Abbruch erleiden. Die Ansprachen der Führer der evangelischen Deputa-
tionen erwiderte der Kaiser mit warmem Ausdrucke des Dankes und der Ver-
sicherung seiner Huld. Auf die Ansprache des Obergespans Rado, welcher
im Namen der Deputation der Munnzipien sprach, antwortete der Kaiser:
„Seien Sie überzeugt, daß, wie ich die Zeichen der treuen Anhänglichkeit
an den Thron und an meine Person stets mit großer Freude wahrnehme,
ich ebenso innig die Entwickelung und die Zunahme des geistigen und mate-
riellen Wohles des Landes wünsche. Zu diesem Zwecke mitzuwirken, sind
die Munizipien neben der Erfüllung der Aufgaben der Administrative als
Faktoren der öffentlichen Meinung auch in der Richtung berufen, daß sie
das Volk vor dem Einflusse irreführender Schlagworte und unfruchtbarer
Versprechungen bewahren und den Samen friedlicher Eintracht und nütz-
licher Arbeit pflegen. Einen weiten Raum bietet hierfür die Grundlage,
auf welcher unser geliebtes Königreich Ungarn in den letzten Dezennien so
erfreulich aufblühte und deren Erschütterung sowohl den Glauben an den
bestehenden gesetzlichen Zustand schwächen, als auch den wahren Interessen
des Landes sowie der ganzen Monarchie und demzufolge auch meinen Re-
gentenpflichten entschieden widerstreiten würde.“ — Auf die Ansprache des
Führers der israelitischen Deputation erwiderte der Kaiser, er zweifle nicht
daran, daß die Israeliten nie Gelegenheit bieten würden, daß er seine Gnade
und seinen Schutz den treuen israelitischen Unterthanen entziehe. Alle Ant-
worten des Kaisers wurden mit begeisterten Eljenrufen aufgenommen.
21.—27. September. Kaiser Wilhelm hält sich nach den
Manövern zur Jagd als Gast bei Kaiser Franz Joseph auf.
22. September. (Wien.) Die Polizei entdeckt ein großes
Anarchisten-Komplott. 12 Anarchisten werden verhaftet.
23. September. General v. Krieghammer wird zum Kriegs-
minister ernannt.
25. September. (Pest: Abgeordnetenhaus.) Szalay, Mit-
glied der Unabhängigkeitspartei, interpelliert über die Antwort des
Königs in Güns an die Deputation der Munizipien, indem er an
den Ministerpräsidenten Dr. Wekerle die Frage richtet, ob die Spitze
der Antwort gegen die Unabhängigkeitspartei oder gegen die Ap-
ponyi-Partei gerichtet sei, ob der Ministerpräsident Kenntnis von
dem Inhalt hätte, und wodurch die scharfen Worte des Königs
begründet seien. Der Ministerpräsident kündigt gleichzeitig in nicht
allzu ferner Zeit die Beantwortung dieser und ähnlicher bevor-
stehenden Interpellationen an.