Bie Gesterreichise-Augerische Monarchie. (Dezember 1—14.) 199
für die arbeitenden Klassen wird die Regierung diesem in unserer Zeit so
überaus wichtigen Gebiete staatlicher Thätigkeit ihr besonderes Augenmerk
zuwenden und behält sich vor, hierüber seinerzeit bestimmte Vorschläge zu
machen. Das Gelingen der Justizreformen, welche zum großen Teile die
Interessen des Rechtsuchenden Publikums und der Bevölkerung überhaupt
direkt berühren, wird die Regierung sich dringend angelegen sein lassen.
Nützliche Reformen zur Hebung der sittlichen und materiellen Verhältnisse
und somit der Bildung und des Wohlstandes liegen im Interesse des ganzen
Volkes und darum auch sämtlichen Parteien des Hauses gleichmäßig am
Herzen. Die Regierung wird glücklich sein, wenn hier die Parteischeidungen
zurücktreten und sch alle in gemeinsamer patriotischer Arbeit zusammenfinden
wollen. Offenheit und Wahrheit im öffentlichen Leben, volle Anerkennung
der Bedeutung der parlamentarischen Institutionen, die wirksame Förderung
aller berechtigten wirtschaftlichen Interessen, eine kräftige, auf der Höhe der
Zeit stehende Verwaltung, eine entschiedene Abwehr aller den Frieden des
Staates und die allgemeine Wohlfahrt störenden Elemente, dies sind die
Gesichtspunkte, von welchen sich die Regierung bei der Führung der öffent-
lichen Geschäfte leiten lassen will; sie hofft in ihrer schwierigen Aufgabe
auf das Vertrauen und die 1nterstühzung aller Wohldenkenden, welche für
ihr Volk warm empfinden, und denen das Ansehen Oesterreichs teuer ist.“
1. Dezember. (Wien: Abgeordnetenhaus.) Die Land-
wehrvorlage wird angenommen. Dafür sprechen Dubsky, dagegen
Fürnkranz und Vasaty.
2. Dezember. (Pest.) Das Ministerium bringt die kirchen-
politischen Vorlagen ein.
Der Minister Szilagyi hält die Einführungsrede. Das erste Gese
führt die obligatorische Civilehe ein und erlaubt die Ehescheidung brieh
weltlichen Richterspruch. Das zweite Gesetz regelt die Konfession der Kinder
aus gemischten Ehen.
11. Dezember. (Pest: Abgeordnetenhaus.)
Der Abg. Ugron spricht im Namen der äußersten Linken aus Anlaß
des Bombenattentates in Paris Sympathie für die französische Kammer aus
und betont, die parlamentarischen Institutionen könnten durch ein Häuflein
Verbrecher nicht untergraben werden. (Lebhafte Zustimmung.) Abg. Daranyi
drückt namens der liberalen Partei die Entrüstung über das beispiellose
Attentat aus. Bei derartigen Kundgebungen anläßlich solcher Ereignisse
dürfe keine Nation fehlen. Er glaube, das Vertrauen der Völker zu den
parlamentarischen Institutionen könne durch derartige Zwischenfälle nicht
erschüttert werden. (Lebhafter Beifall.) Abg. Horanszky schließt sich na-
mens der Nationalpartei dieser Kundgebung an, betont die Solidarität aller
parlamentarischen Körperschaften und wünscht, daß ein einmütiger Ausdruck
der Sympathie und der Solidarität vom Hause kundgegeben werde. Der
Präsident erklärt, im Sinne der ausordnung könne darüber kein Beschluß
gefaßt werden; die gehaltenen Reden seien genügendes Zeugnis für die Ge-
fühle des Hauses. (Lebhafter Beifall.)
11.—14. Dezember. (Wien: Abgeordnetenhaus.) Ver-
handlungen über den Prager Ausnahme-Zustand.
Der Minister des Innern, Bacquehem, hält eine sehr wirksame Rede,
in der er gegenüber den tschechischen Ableugnungen hervorhebt, daß in Prag
in der in Betracht kommenden Zeit nicht weniger als 18 große Straßen-