Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

214 Großbritannien. (Juli 21.) 
des Laufes der Ereignisse vermischt worden, gesondert zu halten. Vielleicht 
liege aber die Hauptschwierigkeit, über diese Fragen zu einer Schlußfolge- 
rung zu gelangen, darin, eine klare und definitive Information zu erhalten, 
und in Ermangelung einer solchen Information sei die britische Regierung 
nicht bereit, irgendwelche entschiedene Anficht über die Bedeutung der ver- 
schiedenen Punkte abzugeben. Erstens gebe es gewisse Forderungen Frank- 
reichs für Verluste, welche französische Kaufleute und Reisende durch sia- 
mesische Beamten erlitten. Frankreich bestehe auf der Befriedigung dieser 
Forderungen, bevor es Unterhandlungen über wichtigere Angelegenheiten 
anknüpfe, während die siamesische Regierung Schwierigkeiten und Einwände 
erhoben habe, die sie noch nicht zurückgezogen. Zweitens gebe es eine Grenz- 
frage in und bei dem Mekongthale. Dieses sei eine komplizierte Frage, 
über welche die Regierung nicht genügende Informationen besitze, um eine 
definitive Ansicht zu äußern, und bei welcher vorausgesetzt sei, daß sie inner- 
halb gewisser Grenzen bleiben und nicht solche Proportionen annehmen 
werde, daß die Unabhängigkeit und Integrität des fiamesischen Königreiches 
verletzt würde. Großbritannien sei nicht unmittelbar interessiert. Drittens 
gebe es eine Frage betreffend die Gefangennahme des französischen Offiziers 
Thereusse und die Ermordung eines anderen Offiziers und einiger anamiti- 
scher Soldaten. Wie es heiße, sei Thereusse, dessen Freilassung seit einiger 
Zeit zugesagt gewesen, auf französisches Gebiet geführt und ausgeliefert 
worden. Hinsichtlich des anderen Zwischenfalles würden die Thatsachen be- 
stritten, etwaige Forderungen Frankreichs seien unbekannt. Viertens komme 
das gewaltsame Hinauffahren zweier französischer Kanonenboote im Menam- 
flusse trotz der Opposition der siamesischen Behörden in Betracht. In Bezug 
hierauf besitze die Regierung noch nicht alle Thatsachen, habe aber Grund 
zu glauben, daß der Schritt den Weisungen der französischen Regierung, 
sowie dem ausdrücklichen Wunsche des französischen Vertreters in Bangkok 
zuwiderlaufe. Es sei absolut notwendig, detaillierte Informationen abzu- 
warten, bevor über die Frage eine Ansicht ausgesprochen werden könne. Die 
der Regierung aus Paris zugegangenen neuesten Nachrichten meldeten jedoch, 
die französischen Befehlshaber behaupteten positiv, daß sie einem ihrerseits 
nicht provozierten Feuer bei Ausübung ihres unzweifelhaften Rechtes, den 
Menamfluß bis Pakuam hinaufzufahren, ausgesetzt gewesen seien. Eine 
fünfte Frage sei die des Schutzes britischer Unterthanen und britischen Eigen- 
tums, sowie desjenigen anderer europäischen Mächte in Bangkok. Seit einiger 
Zeit habe die Regierung Vorkehrungen in dieser Richtung getroffen, und 
die Marinebehörden versicherten, daß alle Arrangements vollständig und die 
Streitkräfte genügend seien. Sollten mehr Schiffe nötig sein, so wären 
dieselben sofort verfügbar. Endlich handle es sich um die Frage der Un- 
abhängigkeit und Integrität Siams. Die britische Regierung sei sich völlig 
bewußt, daß dies ein Gegenstand ernster Wichtigkeit für das britische und 
mehr noch für das britisch-indische Reich sei, aber die französische Regierung 
erkläre sich nicht minder besorgt als die britische, jene Unabhängigkeit und 
Integrität aufrecht zu erhalten. Die britische Regierung sei sich ihrer Ver- 
antwortlichkeit völlig bewußt und werde keine Gelegenheit vorübergehen 
lassen, um eine befriedigende Lösung zu erleichtern. 
21. Juli. Der britische Botschafter Lord Dufferin, der Paris 
in brüsker Weise, ohne Abschied bei den offiziellen Persönlichkeiten, 
verlassen hatte, um dann Wochen lang, ohne sein Fernbleiben irgend- 
wie zu motivieren, in Urlaub zu weilen, kehrt ebenso plötzlich, wie 
er gegangen, nach Paris zurück.
	        
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