Frankreich. (Januar 22.— Februar 8.) 225
deren sich ein armer Dorfpfarrer auf der Kanzel schuldig mache, mit äußerster
Strenge vorgehe. Die Kapitalbesitzer hätten vor der drohenden Gefahr eine
unbestimmte Furcht, die immer mehr in dem Verlangen nach sozialer Ver-
teidigung ihren Ausdruck finde.
22. Januar. Der Minister des Außern Develle sucht den
deutschen Botschafter Grafen Münster auf, um ihm sein Bedauern
über die verleumderischen Angriffe der französischen Presse auf an-
dere Vertreter der Dreibundsmächte auszusprechen.
27. Januar. Das gerichtliche Verfahren gegen Jules Noche,
Thévenet und Arenes wird eingestellt. Die anderen Parlaments-
mitglieder, zu deren gerichtlicher Verfolgung die Genehmigung der
Kammer nachgesucht war, werden unter Anklage gestellt. (S. Jahrg.
1892, 20. Dezember.) ·
31. Januar. Die Kammer nimmt ein Gesetz an, wonach
Angriffe auf die Sparkassen mit Gefängnis von 2 Monaten bis
2 Jahren bedroht werden.
Das Gesetz ist hervorgerufen durch die Thatsache, daß infolge des
allgemeinen Mißtrauens massenhaft Depositionen aus den Sparkassen zurück-
gezogen werden, was, da die Sparkassegelder in Staatsrente angelegt sind,
auf diese schon ungünstig zurückwirkt.
6. Februar. (Deputiertenkammer.) Ein Ergänzungskredit
von 6,236,000 Frcs. für die Kosten der Okkupation von Dahomey
wird ohne Debatte mit 432 gegen 21 Stimmen bewilligt.
7. Februar. (Paris.) Die Anklagekammer beschließt in dem
Panama-Prozeß die Einstellung des Verfahrens gegen Rouvier,
Deves, Grévy, Renault.
8. Februar. (Kammer.) Der boulangistische Abg. Goussot
wünscht die Regierung bezüglich derjenigen Mitglieder des Parla-
ments zu interpellieren, gegen welche tags vorher das gerichtliche
Verfahren eingestellt worden ist.
Inmitten einer lebhaften tumultuarischen Bewegung sagte Goussot,
daß, da Rouvier eingeräumt, Panamagelder empfangen zu haben, die Re-
gierung sich darüber aussprechen solle, ob sie auf ihn den Artikel der Ver-
fassung anwenden werde, welcher die Verantwortlichkeit der Minister zum
Gegenstand habe. Justizminister Bourgeois erwiderte, man beschimpfe die
Regierung, wenn man sie beschuldigte, Drohungen nachgegeben zu haben,
als sie die Ermächtigung zur gerichtlichen Verfolgung gegen Deputierte be-
antragt habe. (Beifall auf der Linken.) Die Justiz handle in voller und
unbedingter Unabhängigkeit. Seit länger als einem Monat verbreite man
verleumderische Gerüchte, es sei Zeit, laut zu verkünden, daß alle Bürger
sich vor den Entscheidungen der Justiz zu beugen hätten. (Beifall.) Die
Regierung habe alles gethan, was sie thun mußte, sie sehe in den gestellten
Fragen offenbare Manöver. Sie werde es ablehnen, den Gegnern der Re—
publik Waffen in die Hand zu geben. Die Regierung habe ihre Pflicht
gethan, die Kammer werde die ihrige thun. Der Deputierte Cavaignac
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXIV. 15