Italien. (Oktober 18.) 253
Admiral Seymour in Tarent. Es werden Festlichkeiten veranstaltet
und Reden auf die Freundschaft der beiden Nationen gehalten.
18. Oktober. Rede Giolittis in Dronero. 240 Deputierte
und 80 Senatoren nehmen an dem Bankett teil.
Der Konseilpräsident erinnert daran, wie er seit sieben Jahren er—
klärt habe, daß Italien durch die Art seines Entstehens, sowie durch seine
politische und soziale Verfassung darauf hingewiesen sei, eine freimütig
demokratische Politik zu befolgen. Er könne diese seine Ueberzeugung auch
heute nur bestätigen. Nach einer Skizzierung der Linien dieser Politik,
welche die Regierung einhalten müsse, spricht Giolitti von der auswärtigen
Politik und sagt wörtlich: „Unsere auswärtige, von dem Parlament und
dem Lande gebilligte Politik beruht auf den Allianzen, die den Frieden
sichern. Wir wahren denselben und werden ihm gewissenhaft immer treu
bleiben. Ein internationaler Zwischenfall, welcher die öffentliche Meinung
lebhaft beschäftigte, trug dazu bei, zu beweisen, daß der Wunsch nach Frieden
allen in Europa gemeinsam ist, weil dieser Zwischenfall infolge der von
beiden Seiten geführten Unterhandlungen eine gerechte und billige Lösung
gefunden hat. Gegenwärtig macht Italien eine Periode wirtschaftlicher
schmerzlicher Depression durch. Das Land muß vor allem aus dieser wirt-
schaftlichen Depression emporgehoben werden. Die Hauptursache dieser Krise
war die schlechte Finanzpolitik, welche Ausgaben zu bestreiten unternahm,
die die Hilfsquellen des Landes erheblich überstiegen, und welche die erforder-
lichen Kapitalien durch ungeheure, hauptsächlich im Auslande aufgenommene
Schulden beschaffte. Das Werk der Diskreditierung Italiens wurde mächtig
gefördert durch das Uebelwollen unserer Feinde im Auslande, wo wir hin-
gestellt wurden als ein Volk, das auf dem Wege des Verfalls sich befinde
und keine Hoffnung habe, sich wieder zu erheben.“ Der Minister wies an
der Hand der Statistik nach, daß Italien seit 1884/85 bis 1892,93 von
einem Defizit im Betrage von 250 Millionen heruntergegangen sei bis zu
einem solchen von 14 Millionen; in gleicher Weise sei die jährliche Aus-
gabe für Eisenbahnbauten von 266 Millionen auf 29 Millionen herab-
gegangen. Italiens Kredit sei aber gegenwärtig schwer getroffen. Zu den
früheren Uebeln sei fast unerwartet das Steigen des Wechsels hinzuge-
kommen. Augenblicklich gelte es vor allem, gegen die Münzkalamität an-
zukämpfen. Italien müsse nicht bloß politisch, sondern auch finanziell un-
abhängig sein und diese finanzielle Unabhängigkeit werde erst erreicht werden,
wenn die nationale Sparsamkeit einen großen Teil der im Auslande unter-
gebrachten Schuldtitel aufgenommen habe. Dies habe bereits begonnen und
sei eine der Ursachen für das Steigen der Wechsel. Diese wohlthätige, aber
langsame Bewegung werde nur unter der Bedingung ihr Ziel erreichen,
wenn mit der Aufnahme von Schulden im Auslande ein Ende gemacht
werde und der Staatsschatz bei Beschaffung seiner Zahlungsmittel möglichst
wenig auf den Geldmarkt drücke. In Summa: der Staatsschatz müsse auf-
hören, den Geldmarkt durch große Ankäufe zu beunruhigen, wenn er alle
vier Monate seine Zahlungen im Auslande zu leisten habe, und es müsse
sofort das Budgetgleichgewicht hergestellt werden, um die Notwendigkeit
neuer Schulden absolut auszuschließen. Die Beschaffung der metallischen
Gegenleistung für 120 bis 150 Millionen fremder Wechsel, welche in jedem
Halbjahre nötig sind, übe auf den Geldmarkt einen gewaltigen, von der
Spekulation leicht auszubeutenden Druck aus. Das einzige Mittel, diesem
Drucke zu begegnen, sei, im geeigneten Momente die Zahlung der Einfuhr-
zölle in Gold zu fordern. Durch eine derartige Maßregel würden die bös-