254 Italien. (Oktober 18.—23.)
willig ausgestreuten Zweifel beseitigt, als ob Italien seinen auswärtigen
Verpflichtungen nicht ohne Aufnahme neuer Anleihen genügen könne. Die
Feststellung des Gleichgewichts im Budget bildet eine unabweisliche, unauf-
schiebbare Pflicht. Dem rücksichtslosen Kriege gegen unseren Kredit müssen
wir eine kräftige Finanzpolitik entgegensetzen. Deshalb wird die Regierung
eine Reform der Erbschaftssteuer und eine progressive Steuer auf Einkommen
über 5000 Frecs. vorschlagen. Durch diese und andere weniger wichtige Re-
formen werden 40 Millionen neuer Einnahmen erzielt werden, die zur Fest-
stellung des Gleichgewichts genügen. Es muß aber auch gegen eine zu-
künftige Vermehrung der Ausgaben vorgesorgt und eine Verbesserung der
verschiedenen Verwaltungszweige ermöglicht werden. Die Totalausgaben
für Landheer und Marine seien von 554 Millionen in 1888 89 auf 342
Millionen in 1892,93 zurückgegangen. Innerhalb dieser Ausgabengrenzen
müsse das Maximum der militärischen Entwickelung gesichert werden. Der
Ministerpräsident bespricht hier auch die beabsichtigten inneren Reformen
und sagt betreffs Sizilien: Die Regierung werde den aushetzerischen Agi-
tationen unter den dortigen Arbeitern energische Maßregeln entgegensetzen,
gleichzeitig aber alle Mittel studieren, welche die Lage der Arbeiter verbessern
könnten. Der Minister schließt: Zur Durchführung dieses Programms sei
Einigkeit und Wachsamkeit der liberalen Partei nötig, von der ein mehr
konservativer Teil seit einigen Jahren die Tendenz zeige, sich bei den Wahlen
mit der klerikalen Partei zu verbünden.
18. Oktober. Telegramm des Königs Humbert an die Witwe
des Marschalls Mac Mahon:
„Ich und die Königin teilen den tiefen Schmerz Ew. Exzellenz über
den Tod des Marschalls Mac Mahon, Herzogs von Magenta, an dessen
ruhmreichen Namen Italien stets mit Liebe und Dankbarkeit zurückdenken
wird. Ew. Exzellenz und deren Söhne wollen geneigtest dieses Zeichen un-
serer lebhaften Anteilnahme entgegennehmen. Humbert."
23. Oktober. Der Marchese Rudini richtet an seine Wähler
ein Schreiben, in welchem er die Politik des gegenwärtigen Mini-
steriums lebhaft bekämpft.
Die Erhöhung der Erbschaftssteuer und der Progressivsteuer, sowie
die Zollzahlung in Gold weist er zurück und erklärt eine ehrliche Finanz-
politik für unmöglich, ohne auf das Programm zurückzukommen, den Staats-
schulden ein Ende zu machen, gleichzeitig aber Ersparungen, sowie Er-
höhungen der Einnahmen durchzuführen. Es sei unbedingt nötig, mehrere
Zweige der Ausgaben, darunter die militärischen, einzuschränken. Der von
der öffentlichen Meinung gehegte Verdacht, daß der Dreibund Italien mili-
tärische Lasten auferlege, welche zur Verwirrung der Finanzen beitrügen,
müsse zerstreut werden. Unmöglich sei es, die Armee zu retten, wenn man
nicht das Budget rette. Die Bündnisse sicherten den Frieden und verhin-
derten die Isolierung Italiens; sie seien für Italien eine unschätzbare Wohl-
that. Diese Politik müsse zukünftig für Italien traditionell sein, allein
die verschiedenen Ministerien drückten derselben das Siegel ihres Tempera-
ments auf. Rudini tadelt sodann das Vorgehen der Regierung anläßlich
der Zwischenfälle in Aigues-Mortes, Rom und Neapel und fügt hinzu, daß
die Majorität des Parlaments unfähig sei, kräftige Werke zu vollbringen
und das Land von Uebeln zu befreien. Die Nation sei der unfruchtbaren
Manöver müde. Rudini schließt sein Schreiben mit den Worten: „Wir
wollen unseren Söhnen ein großes ruhmreiches Vaterland hinterlassen. In