258 Italien. (November 24.—Dezember 10.)
schmutzigen Geschäfte, welche einigen Personen, dem früheren Unterstaats-
sekretär Grafen Amadei, dem Herzog von San Donato u. a., nachgewiesen
wurden. Die Konnivenz gegen die Banca Romana, deren ungesetzlicher
Zustand seit dem Jahre 1889 bekannt war, ist der Krebsschaden der Regie-
rungen gewesen. Der Ausschuß der „Sieben"“ erklärt für erwiesen, daß der
Ministerpräsident Crispi, der Schatzminister Giolitti, der Handelsminister
Miceli von der Engquete Alvisi-Biagini, welche 1889 ein Manko von 9
Millionen bei der Banca Romana feststellte, Kenntnis hatten, daß aber der
parlamentarischen Kommission hievon nicht Mitteilung gemacht wurde, die
statt dessen einen sehr abweichenden Bericht des Ministerialdirektors Mon-
zilli erhielt, — und der Ausschuß mißbilligt das Stillschweigen der drei
Minister. Der Ausschuß mißbilligt ferner, daß der Schatzminister Luzzatti
und der Handelsminister Chimirri (im Kabinet Rudini) obgleich sie Kenntnis
von der genannten Enquete hatten, dennoch keine neue Untersuchung des
Zustandes der Bank vornahmen; er mißbilligt endlich, daß Giolitti, obgleich
ihm vom Jahr 1889 her die widergesetzliche Geschäftsführung des Bank-
direktors Tanlongo bekannt war, dennoch dem König den Antrag seiner
Ernennung zum Senator vorlegte. Andererseits spricht der Ausschuß auch
ein Mißfallen über verschiedenartige ungesetzliche Einmischungen der Minister
in die Bankgeschäfte aus, und zwar besonders gegen den ehemaligen Minister
des Innern Nicotera, und den jetzigen Handelsminister Lacava. Was den
jetzigen Ministerpräsidenten betrifft, so erklärt der Ausschuß ferner für
erwiesen, daß er von der Banca Romana (was Giolitti seinerzeit läugnete)
60,000 Frks. erhalten habe, jedoch nicht zu politischen Zwecken, und daß
dieselben rechtzeitig zurückerstattet seien. Die Angabe einiger Zeugen, daß
Giolitti noch andere beträchtliche Summen von der Bank erhalten habe,
erklärt der Ausschuß für nicht bewiesen. In seiner Eigenschaft als Minister
des Innern trifft den Ministerpräsidenten ein schwerer Vorwurf. Der Aus-
schuß konstatiert nämlich, es seien nicht alle bei dem Bankdirektor Tanlongo
sequestrierten Papiere in die Hände der Justiz gekommen, d. h. also, sie
seien bei der Polizei verblieben. — Diese Anklagen waren früher schon
bekannt geworden und sind auch in der Allgemeinen Zeitung reproduziert
worden. Sie aber hier von den eigenen Kollegen der Beschuldigten (denn
die betreffenden Minister sind selbst Deputierte), von den allgemein geachteten
Vertrauensmännern bekräftigt und zu einem so düsteren Bilde vereinigt zu
sehen, gewährte einen erschütternden Eindruck. Die Demission des Mini-
steriums, das in seinem Chef so schwer getroffen ist, stand sofort außer
Frage; es bedurfte dazu nicht der Ministeranklage, welche Imbriani und
Cavallotti stürmisch verlangten. Verwundern könnte man sich, daß der
Schatzminister Grimaldi, dessen irreguläre private Beziehungen zur Banca
Romana allgemein bekannt waren, in dem Ausschußbericht nicht für kom-
promittiert erklärt wird. Allein es war längst bekannt, daß die ungedeckten
Kreditbeträge, welche die Bank dem Minister sehr freigebig gewährt hatte,
schon im Januar durch das Eingreifen einer sehr hohen Persönlichkeit ge-
tilgt worden waren.
24. November. Das Ministerium Giolitti reicht seine Ent-
lassung ein.
10. Dezember. Nachdem fortwährende Verhandlungen ge-
führt, alle Kombinationen, namentlich ein Ministerium Zanardelli
gescheitert ist, bildet endlich Crispi ein neues Ministerium.
Crispi Vorsitz, Inneres und interimistisch Auswärtiges, Senator
Calenda Justiz, Saracco Schatz, Sonnino Finanzen, General Mocenni