Schweiz. (August 10.—11.) 269
nationale revolutionäre Sozialdemokratie hat in allen Ländern mit Auf-
gebot aller Kräfte den chauvinistischen Gelüsten der herrschenden Klasse ent-
gegenzutreten, das Band der Solidarität um die Arbeiter aller Länder immer
fester zu schlingen und unablässig auf die Beseitigung des Kapitalismus
hinzuwirken, der die Menschheit in zwei feindliche Heerlager geteilt hat und
die Bölker gegeneinander hetzt. Mit der Auphebung der Klassenherrschaft
“B auch der Krieg. Der Sturz des Kapitalismus ist der Welt-
riede."
10. August. Debatte über die Stellung der Sozialdemokraten
im Kriegsfalle.
Rotowsky (Bulgarien): In Bulgarien sei stets die russische Inva-
sion zu befürchten, der holländische Antrag sei daher in Bulgarien absolut
unausführbar.
Redakteur Turrati (Italien): Auch die italienische Delegation erachte
den holländischen Antrag für unausführbar. Im übrigen wolle er bemerken,
daß an dem in Italien künstlich gezüchteten Franzosenhaß die italienischen
Arbeiter keinen Teil haben.
Schriftsteller Plechanow (Petersburg): Er müsse es als eine Schmach
bezeichnen, daß man auf dem internationalen Arbeiter-Kongreß ausspreche:
eine russische Invasion sei nicht im stande, die Kultur auf Jahrhunderte
zurückzuwerfen. Der betreffende Redner könne das nur in voller Unwissen-
heit gethan haben. Die russischen Kosaken seien jeder Kultur unzugänglich.
Der Zarismus sei der größte Feind aller Kultur. Der Zgar herrsche voll-
ständig absolut. Wen er von seinen Gegnern nicht töten könne, den lasse
er nach Sibirien schicken und überliefere ihn somit dem langsamen Hunger-
und Martertode. Wenn die deutschen Soldaten heute in Rußland ein-
marschierten, dann würde das russische Volk dieselben ebenfalls als Befreier
begrüßen, wie vor hundert Jahren das französische Revolutionsheer überall
als Befreier begrüßt wurde. Und die französische Republik habe es in ihrem
Deutschenhaß fertig gebracht, sich mit dem Zarismus zu verbinden. Ja, die
französische Republik rutsche auf den Knieen vor dem Zarismus. (Stür-
mischer Widerspruch der Franzosen.) Es sei das derselbe Zarismus, der
Polen unterjocht habe, das Polen, das stets die freundschaftlichsten Bezieh-
ungen mit Frankreich unterhalten habe. (Stürmischer Beifall und furcht-
barer Lärm der Franzosen.) Die Franzosen entrüsten sich immer über den
Dreibund, allein über den Zweibund der eine Schmach für die ganze zivili-
sierte Welt sei, werde Stillschweigen beobachtet. (Stürmischer Beifall und
furchtbarer Lärm von Seiten der Franzosen.) Er ersuche nochmals, dem An-
trage der Deutschen zuzustimmen.
Es wurde alsdann zur Abstimmung geschritten.
Für den holländischen Antrag stimmten nur die Vertreter von
Holland, Frankreich, Norwegen und Australien, derselbe war sonach abge-
lehnt. — Alsdann gelangte der Antrag der Deutschen mit dem Zusatzantrage
der Belgier: „Die sozialdemokratischen Abgeordneten in den Parlamenten
aller Länder sind verpflichtet, alle militärischen Forderungen zu verweigern
und Anträge auf Abrüstung zu stellen“, zur Abstimmung. Hierfür stimmten
vierzehn Nationen; fünf Nationen (Holland, Frankreich, Norwegen, Amerika
und Australien) enthielten sich der Abstimmung. Der Antrag war daher
mit dem belgischen Amendement angenommen.
11. August. (Sozialisten-Kongreß: Maifeier.) Die Kom-
mission bringt folgende Anträge ein:
1. Der Kongreß erneuert den Beschluß des Brüsseler Kongresses,