18 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 1.-7.)
1. März. Bei dem Festmahl des Brandenburgischen Pro-
vinziallandtages hält der Kaiser folgende Rede:
„Mein lieber Herr Oberpräsident und Sie, Meine verehrten Branden-
burgischen Landsleute, empfangen Sie zunächst Meinen Dank für Ihren
Wunsch, Mich in Ihrer Mitte zu sehen. Die Gesinnungen treuer Anhäng-
lichkeit, welche in Ihrem Namen Euer Exzellenz Mir soeben ausgesprochen
haben, finden in Meinem Herzen freudigen Widerhall. Es spricht aus diesen
Gesinnungen das feste Vertrauen zu Ihrem Landesvater und zu Seinem
Streben; der schönste Lohn, der Mir und mit Mir Meinen bewährten Räten
in unserer schweren Arbeit werden kann. Es liebt die Jetztzeit, auf die
Vergangenheit viel zurückzublicken, dieselbe mit dem augenblicklich Bestehen-
den zu vergleichen, zumeist zum Nachteil des letzteren. Wer auf eine so
herrliche Vergangenheit zurückblicken kann, wie wir es — Gott sei Dank
— können, der thut sehr wohl daran, um daraus zu lernen. Das nennt
man in einem monarchischen Staat die Tradition. Doch nicht dazu soll
sie dienen, um sich in nutzlosen Klagen zu ergehen über Menschen und Dinge,
die nicht mehr sind, sondern vielmehr müssen wir uns in der Erinnerung
wie in einem Quell erfrischen und, neugestählt aus ihm emporsteigend, zu
lebensfrohem Thun und schaffensfreudiger Arbeit uns hinwenden. Denn
würdig vor allem müssen wir uns unserer Ahnen und ihrer Leistungen er-
weisen. Das können wir nur, wenn wir unbeirrt auf den Bahnen weiter-
wandeln, die sie uns vorgezeichnet. Die hehre Gestalt unseres großen dahin-
gegangenen Kaisers Wilhelm ist stets uns gegenwärtig mit ihren gewaltigen
Erfolgen. Woher kamen dieselben? Weil Mein Großvater den unerschütter-
lichsten Glauben an Seinen Ihm von Gott verliehenen Beruf hatte, welchen
Er mit unermüdlichem Pflichteifer verband. Zu Ihm stand die Mark, stand
das ganze deutsche Vaterland. In diesen Traditionen, Meine Herren, bin
Ich aufgewachsen und von Ihm erzogen; denselben Glauben habe auch Ich.
Mein höchster Lohn ist daher, Tag und Nacht für Mein Volk und sein
Wohl zu arbeiten. Aber Ich verhehle Mir nicht, daß es Mir niemals ge-
lingen kann, alle Glieder Meines Volkes gleichmäßig glücklich und zufrieden
zu machen. Wohl aber hoffe Ich, es dahin zu bringen, daß es Mir ge-
linge, einen Zustand zu schaffen, mit dem alle Die zufrieden sein können,
die zufrieden sein wollen. Daß dieser Wille in Meinem Volke sich täglich
kräftige, ist Mein sehnlichster Wunsch, daß alle braven deutschen Männer
und vor allem auch Meine Märker mir dabei behilflich sein mögen, das
ist Meine Bitte, daß unser gesamtes deutsches Vaterland an Festigkeit
nach Innen und an Achtung und Respekt nach Außen dadurch gewinnen
möge, das ist Meine Hoffnung. Dann darf Ich getrost aussprechen: „Wir
Deutschen fürchten Gott und nichts sonst in der Welt". Daraufhin leere
Ich Mein Glas auf das Wohl Brandenburgs und unserer wackeren
Märker!"
5. März. (Abgeordnetenhaus.) In namentlicher Ab-
stimmung wird die Position der Berggewerbegerichte mit 165 gegen
96 Stimmen angenommen, indem die Deutsch-Freisinnigen, das
Zentrum, die Polen, die meisten Nationalliberalen und wenige Kon-
servative dafür, die meisten Konservativen und Freikonservativen
dagegen stimmen.
7. März. In der Militär-Kommission zeigt sich der Be-
ginn einer Spaltung unter den Deutsch-Freisinnigen. Der