Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

274 Belgien. (Februar 26. — April 12.) 
mindestens zehn Jahre Zuchthaus, alle Personen, welche wissentlich an der 
Herstellung von Druckschriften arbeiten, welche zu genannten Verbrechen auf- 
reizen, werden bestraft. 
Die Beschlußfassung wird auf die nächste Session verschoben. 
X. 
Belgien. 
26. Februar. In Brüssel findet eine von den Radikalen 
organisierte Volksabstimmung über die Verfassungsrevision statt. 
Von 111,700 in die Listen eingeschriebenen Personen haben 60,279 
ihre Stimme abgegeben. Davon stimmten für den Antrag Janson, (das 
mit vollendetem 21. Lebensjahre zustehende aktive allgemeine Wahlrecht) 
48,660 Personen, für den Antrag Nothomb (das mit vollendetem 25. Lebens- 
jahre zustehende aktive allgemeine Wahlrecht) 7684, für die übrigen 3 An- 
träge zusammen 3935 Personen. 
28. Februar. Beginn der Beratung in der Kammer über 
die Revision. 
Grundlage der Beratung ist der von der Regierung (vgl. Jahrg. 1874, 
25. Dez.) eingebrachte Entwurf. Danach soll weder das Referendum noch 
die Interessenvertretung eingeführt werden. Artikel 47 der Verfassung soll 
so umgestaltet werden, daß die proportionelle Vertretung ermöglicht wird. 
Das Wahlrecht für die Senatorenwahlen beginnt bei einem Lebensalter von 
35 Jahren. Im übrigen sollen die Senatoren und Kammerdeputierten von 
denselben Wählern gewählt werden. Die Wähler zur Deputiertenkammer 
müssen eine selbständige Wohnung innehaben. Wahlberechtigt sollen auch 
die sogenannten Kapazitätswähler sein, d. h. diejenigen, welche eine Prüfung 
im Lesen, Schreiben und Rechnen bestanden haben. 
5. April. Über die Wahlreform findet ein Kongreß zwischen 
der Regierung und den gemäßigten Liberalen statt. 
12. April. (Kammer.) Das allgemeine Stimmrecht (An- 
trag Jansen) wird mit 115 gegen 26 Stimmen verworfen; ebenso 
der der Regierung (Haushalter-Wahlrecht) mit 91 gegen 61 Stim- 
men, d. h. wohl einfacher, aber nicht Zweidrittel-Majorität. Ebenso 
alle anderen Anträge. 
Nach Verwerfung sämtlicher Anträge tauchen vier neue auf: Ayssens 
schlägt ein Mehrstimmenrecht in verschiedenen Stufen vor; Coomans will 
10 Prozent der männlichen Bevölkerung aller Gemeinden wählen lassen; 
Woeste wünscht eine Verbindung von Zehnfrankenzensus und Befähigung; 
Coremans verlangt allgemeines Wahlrecht mit 25 Jahren und Doppelstimme 
mit 40 Jahren. Alle diese Anträge wurden dem Ausschuß überwiesen. 
12./19. April. Manifestationen und Unruhen in Brüssel, Ant- 
werpen und anderen Städten. 
 
	        
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