20 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 8.)
zu verstärken, eventuell in dieser Formation auch mit zu den Herbstübungen
zu nehmen. Auf diese Weise gewinnen die Uebungen des Beurlaubten—
standes nicht nur an Wert, sondern es wird auch die Last beseitigt, die bisher
diese Uebungen für die Truppe waren. Anlangend die Verwendung der
4. Bataillone im Mobilmachungsfall, so ist kein Uebelstand bei den jähr-
lichen Mobilmachungsarbeiten mehr hervorgetreten als der, daß uns für
die Massen-Neuformationen, welche die Infanterie naturgemäß im Kriege
aufstellen muß, jeder Stamm fehlt. Alle, die mit solchen Sachen zu thun
haben, empfinden dieses in jedem Jahre von neuem als eine der bedenk-
lichsten Lücken in unfrer zeitigen Organisation, und jeder, der im Kriege
solchen Formationen angehört hat, wird am besten den Wert zu würdigen
wissen, welchen ein schon im Frieden bestehender Rahmen für Neuformationen
abgibt, die vielleicht zugleich mit den Linientruppenteilen berufen sind, dem
Feinde entgegenzutreten. Ist es auch nicht viel, was die 4. Bataillone
bieten, so sind es doch der Bataillons-Kommandeur, 2 Kompanie-Chefs, der
Adjutant, mehrere Kompanie-Offiziere und eine Anzahl erfahrener Unter-
offiziere, die nicht nur in Bezug auf die sofortige Verwendbarkeit derartiger
Formationen, sondern auch mit Rücksicht auf die Entlastung der bestehenden
Bataillone an Abgaben von einer Bedeutung sind, welche erst die weitere
Diskussion über die Ausrückestärken in das rechte Licht setzen wird.
8. März. (Karlsruhe). Die Minister Turban und Ell-
stätter treten in den Ruhestand.
8. März. In der Militär-Kommission gibt der Reichs-
kanzler folgende Erklärung ab:
Es sei allgemein anerkannt, daß die Vorlage ein durchdachtes Ganze
bilde. Die Vertreter der verbündeten Regierungen hätten schon formal gar
keine Berechtigung, davon etwas aufzugeben. Sie glaubten, aufs bereit-
willigste jede mögliche Auskunft gegeben und die Mitglieder der Kommission
zu einem eigenen Urteil darüber befähigt zu haben, ob und was ihnen
etwa mehr oder weniger richtig erscheine. Er habe den Antrag des Grafen
Ballestrem, der auf eine solche Information abgezielt habe und bisher den
Verhandlungen der Kommission zu Grunde gelegt worden sei, für sehr zweck-
mäßig gehalten. Bisher hätten nur zwei bestimmte Ansichten Ausdruck
erhalten; was dazwischen liege, sei nicht zu einer präziseren Formulierung
gediehen. Die eine klar ausgesprochene Ansicht sei die in der Reichsvorlage
niedergelegte, die andere sei die der Abgg. Richter und Dr. Lieber, dahin-
gehend, daß die gegenwärtige Friedenspräsenzstärke nicht überschritten werden
solle. Diesen letzteren Standpunkt habe er schon öfter als für die verbün-
deten Regierungen unannehmbar bezeichnet, weil er dem der verbündeten
Regierungen schroff gegenüberstehe. Diese könnten nicht darauf eingehen,
daß die Sicherung der Zukunft Deutschlands an den Mindestfordernden in
Entreprise gegeben werde; sie glaubten sich zu dem Wunsche berechtigt, daß
ihre Vorlage im einzelnen durchberaten werde.
8. März. (Reichstag.) Beim Marine-Etat sagt der Reichs-
kanzler Graf Caprivi:
Ich glaube, denjenigen Herren, die meine Amtsführung als Chef
der Admiralität von dem Standpunkt dieses Hauses zu sehen und zu beur-
teilen in der Lage gewesen sind, nicht als Marineenthusiast verdächtig zu
sein. Ich habe immer auf dem Standpunkte gestanden: Die Marine muß
in engen Grenzen gehalten werden, so eng, als unsere Verhältnisse es zu-
lassen. Sie wird, wenn es sich darum handelt, ob der Armee oder der