Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 10. —13.) 23 
10. März. Abstimmung in der Militär-Kommission. Die 
Abstimmung beginnt mit § 2. 
Für 710 Bataillone Infanterie stimmten Nationalliberale, Konser- 
vative und Freikonservative, im ganzen neun Kommissionsmitglieder; das- 
selbe Resultat ergab die Abstimmung über die 484 Batterien und die 21 
Trainbataillone. Dieselben wurden also abgelehnt. Desgleichen wurden 
abgelehnt die 477 Eskadronen, die 37 Bataillone Fußartillerie und die 24 
Bataillone Pioniere mit allen gegen die sechs Stimmen der konservativen 
und freikonservativen Kommissionsmitglieder. Nach der Abstimmung über 
§2 erklärte Abg. v. Bennigsen, die Nationalliberalen könnten die geforderte 
Heeresverstärkung aus wirtschaftlichen Rücksichten nicht bewilligen; die Re- 
gierung solle sich mit 50 Millionen Mehrkosten begnügen. Abg. Richter 
beantragt, die Friedenspräsenz mit 486,983 Mann für die Zeit vom 
1. Oktober 1893 bis zum 31. März 1895 festzusetzen unter der Voraus- 
setzung der zweijährigen Dienstzeit. Abg. Lieber lehnt Namens des Zen- 
trums sowohl den Regierungsvorschlag als die Anträge Bennigsens und 
Richters ab. Der Reichskanzler Graf v. Caprivi erklärt, die Regierungen 
seien zum Entgegenkommen gegenüber geeigneten Vorschlägen bereit, aber 
der Vorschlag der Beibehaltung der bisherigen Friedenspräsenzstärke sei ganz 
unannehmbar. Bei der hierauf erfolgten Abstimmung wurde dann auch 
8 1 der Vorlage (die Friedenspräsenz betreffend) gegen die sechs Stimmen 
der Konservativen und der Reichspartei abgelehnt, ebenso der Antrag Richter 
gegen die fünf Stimmen der Freisinnigen und der Volkspartei. Der An- 
trag Bennigsen wurde zurückgezogen. 
11. März. In Dresden wird eine internationale Sani- 
tätskonferenz eröffnet. 
13. März. (Berlin: Abg.-Haus.) Zweite Beratung des 
Gesetzentwurfs über die Anderung des Wahlverfahrens. 
§ 1 lautet nach dem Beschlusse der Kommission: 
„Für die Wahlen zum Hause der Abgeordneten werden die Urwähler 
nach Maßgabe der von ihnen zu entrichtenden direkten Staats-, Gemeinde-, 
Kreis-, Bezirks- und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt. 
Nicht zur Anrechnung kommen hierbei die den Betrag von 2000 M. 
übersteigende Staatseinkommensteuer sowie die auf den Mehrbetrag dieser 
Steuer entfallenden Gemeindesteuerzuschläge. 
Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte Person ist an 
Stelle dieser Stener ein Betrag von drei Mark in Ansatz zu bringen. 
Von der sich hiernach ergebenden Gesamtsumme der Steuerbeträge 
aller Urwähler entfallen 5/12 auf die erste Abteilung, 4/12 auf die zweite 
Abteilung und 3/12 auf die dritte Abteilung.“ 
Von den Deutschfreisinnigen liegt ein Gesetzentwurf vor, wonach das 
Reichstagswahlrecht (das allgemeine direkte geheime Wahlrecht) für die Land- 
tagswahl eingeführt werden soll. Für den Fall der Ablehnung beantragen 
die Deutschfreisinnigen: 
1) Die erste Wähler-Abteilung muß mindestens ein Zehntel, die 
zweite zwei Zehntel aller Wahlberechtigten umfassen. 
2) Die Abstimmung zu den Landtags- und Gemeindewahlen geheim 
stattfinden zu lassen. 
Der Kommissionsantrag wird unter Ablehnung aller andern 
Anträge angenommen durch die Konservativen und das Zentrum,
	        
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