24 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März Mitte.)
während die meisten Freikonservativen, die Nationalliberalen, die
Deutsch-Freisinnigen und die Polen dagegen stimmen.
Mitte März. Der Kaiser meldet dem König von Italien
seinen Besuch an. Die Antwortsdepesche König Humberts lautet:
„Als Du mir anzeigtest, daß Ihr kommen würdet, Du und die
Kaiserin, um unserer silbernen Hochzeit beizuwohnen, hast Du unsere nächste
Zusammenkunft unter die Auspizien einer lieben und theueren Erinnerung
gestellt, die uns Glück bringen wird. Ich danke Dir vom Grunde meines
Herzens. Für Marguerita und mich wird es ein Fest sein, Dich mit Deiner
Frau in Rom wiederzusehen, wo Eure Gegenwart in den Augen meines
Volkes ein neues und sehr wertvolles Unterpfand der innigen Freundschaft
und des Bündnisses, welches unsere Völker und unsere Kronen vereinigt,
sein wird. Noch einmal Dank für diesen Beweis der Liebe und Anhäng-
lichkeit, welcher unserem Familienfest einen solchen würdevollen Glanz ver-
leiht. Umberto."
Mitte März. Der kons. Reichst.-Abg. Graf Mirbach hält
in Dresden eine Rede, worin er, nach eigener späterer Erklärung,
ausführt:
„Bei der Frage der Programmrevision spielte die Judenfrage eine
hervorragende Rolle. Um Mißbverständnissen vorzubeugen, bemerke ich vorne-
weg, daß ich sowohl wie meine sämtlichen ostpreußischen Landsleute, welche
der konservativen Partei angehören, sich durch die Fassung, welche das Pro-
gramm auf diesem Gebiete erhalten hat, für durchaus gebunden erachten.
Unsere besonderen Anschauungen über die Judenfrage wichen und weichen
aber nicht ganz unerheblich von der vieler Gesinnungsgenossen ab. Wir
hätten es lieber gesehen, wenn an jeder bezüglichen Stelle des Programms
das Wort „christlich" scharf in den Vordergrund gestellt wäre, die Juden
darin keine Erwähnung erfuhren. Wir hätten damit, nach unserer Auf-
fassung, im erweiterten Umfange zu dem christlichen Staat, zu christlichen
Behörden u. s. w. Stellung genommen. Wir verkennen den berechtigten
Kern der antisemitischen Bewegung durchaus nicht, halten es aber für prak-
tisch unausführbar, mindestens für sehr schwer durchführbar, die antisemitische
Bewegung in berechtigten Grenzen zu erhalten. Wir fürchten, daß jede
schärfere antisemitische Bewegung, an der sich die Besitzlosen doch auch recht
stark beteiligen, nicht bloß die Besitzenden, sich sehr leicht gegen jeglichen
Besitz richten wird, und daß zahlreiche Antisemiten schließlich nur eine be-
sondere Spezies von Sozialdemokraten werden. Die Zukunft wird ja lehren,
ob es den antisemitischen Parteien gelingen wird, das zu vermeiden.“
Ähnlich äußert sich das „Konservative Wochenblatt“: nicht
dem Freisinn, sondern den Konservativen würden die Wähler und
Mandate von den Antisemiten abgewonnen.
Mitte März. (Reichstag.) Die Abgg. Freiherr v. Friesen,
Freiherr v. Hammerstein und Dr. Mehnert bringen mit Unterstützung
von 26 deutschkonservativen Parteigenossen den Antrag ein: die ver-
bündeten Regierungen zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetzentwurf
vorzulegen, nach welchem Israeliten, die nicht Reichsangehörige sind,
die Einwanderung über die Grenzen des Reichs untersagt wird.