Mebersicht der palitischen Eutwicheluns des Jahres 1893. 371
suchten das Ministerium Stang nach allen Regeln der Kunst zu
bedrängen; aber nichts hat gefruchtet, Stang hat ausgeharrt trotz
des bis Ende der Session andauernden heftigen Kampfes der radi-
kalen Storthingsmehrheit gegen „dieses Ministerium“. Dem Königs-
hause ging die erbitterte Storthingsmehrheit dadurch zuleibe, daß
der norwegische Beitrag zur Civilliste des Königs um 80,000 Kr.,
die Apanage des Kronprinzen von 80,000 auf 30,000 Kr. herab-
gesetzt wurde. Seinen Trumpf spielte das Storthing am 19. Juli
aus, wo es durch Beschluß die Regierung ersuchte, die konsulare
Gemeinschaft mit Schweden zu kündigen, so daß diese mit dem
1. Januar 1895 aufhören solle, und gleichzeitig wurde der nor-
wegische Beitrag zu den Konsulatskosten nur unter der Bedingung
bewilligt, daß die Gemeinsamkeit sofort gekündigt würde. Am
25. September hat der König nach Anhörung des Stang'schen Mini-
steriums mittels Resolution zu erkennen gegeben, daß der Storthings-
beschluß nicht genehmigt werden würde und daß, da die Mittel zum
Konsulatswesen damit als nicht bewilligt anzunehmen seien, die
Kosten des Konsulatswesen aus andern Staatseinnahmen zu decken
seien. Hierdurch hat der König freie Hand zum Handeln behalten
und gleichzeitig das Bewilligungsrecht des Storthings geachtet.
So stehen die Sachen gegenwärtig in Norwegen. Bald wird
das jetzige Storthing zu seiner letzten Session zusammentreten und
seinen Kampf gegen das Ministerium Stang fortsetzen. Eine Ent-
scheidung in den brennenden Fragen ist jedoch erst im nächsten
Storthing zu erwarten. Gegenwärtig ist man eifrig mit den Vor-
bereitungen für die Wahlen zum nächsten Storthing beschäftigt.
Daß diese dem Lande eine Aufregung bringen werden, wie sie Nor-
wegen vielleicht noch nicht erlebt hat, ist sicher.
Den in Norwegen sich abspielenden Vorgängen gegenüber be-
anspruchen in einem Rückblick die schwedischen Angelegenheiten nur
ein untergeordnetes Interesse im Auslande. Das bedeutendste Er-
eignis bildeten im abgelaufenen Jahre die Wahlen zur zweiten
Kammer des schwedischen Reichstags. Diese waren um so bedeu-
tungsvoller, als man im Lager der Freihändler hoffte, eine solche
dem Freihandel günstige Mehrheit zu gewinnen, daß man erfolg-
reich gegen die Schutzzollpolitik Schwedens ankämpfen könnte. Der
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