Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

372 Aebersicht der politischen Eutwickelung des Jahres 1893. 
Ausgang der Wahlen, für die eine außerordentliche Agitation in 
Szene gesetzt worden war, hat jedoch dem Erwarten der Liberalen 
keineswegs entsprochen: das Parteiverhältnis im schwedischen Reichs- 
tage ist vielmehr im großen und ganzen dasselbe geblieben. Der 
freihandelsfreundlichen Mehrheit der zweiten Kammer steht die 
schutzzollfreundliche große Mehrheit der ersten Kammer gegenüber, 
so daß bei den Gesamtabstimmungen nach wie vor die Schutzzöllner 
die Oberhand haben; denn sie mustern im Reichstage 196 oder 197 
Mitglieder gegen 179 oder 180 Freihändler, so daß ein Versuch, 
an den Schutzzöllen Schwedens zu rütteln, nutzlos ist. Auch für 
die in Schweden auf die Tagesordnung gebrachte Frage der Ein- 
führung des allgemeinen Wahlrechts sind vorläufig keine Aussichten. 
Höchstens findet sich in der zweiten Kammer eine kleine Mehrheit 
für Erweiterung des bisherigen, allerdings sehr beschränkten Stimm- 
rechts. 
Ruß- Über Rußland ist das Wesentliche bereits bei der allgemeinen 
land. auswärtigen Politik und den deutschen Handelsverträgen gesagt 
worden. Das Zarenreich schreitet unentwegt auf den Pfaden der 
Konsolidation eines slawisch-orthodoxen Staats, der Unterdrückung 
aller selbständigen Elemente im Innern, der Bedrohung aller aus- 
wärtigen Mächte, die sich der zukünftigen weiteren Ausdehnung 
über die Balkanhalbinsel widersetzen, fort. Der hiermit nicht ganz 
im Einklang befindliche Wunsch nach einem Handelsabkommen mit 
Deutschland ist diktiert durch die unbedingte wirtschaftliche Not- 
wendigkeit. 
Balkan- Von den Balkan-Staaten haben in Rumänien und Bulgarien 
Staaten (30. Jan. 94) in gleicher Weise die gewählten Dynastien sich durch 
die Geburt von Thronerben befestigt. In beiden Fällen waren ge- 
wisse religiöse Schwierigkeiten zu überwinden, um die Ehen, aus 
denen diese Thronerben hervorgegangen, zu ermöglichen. Der Thron- 
erbe in Rumänien, ein Neffe des Königs, ist katholisch, seine Ge- 
mahlin, eine englische Prinzessin, protestantisch, ein Sprößling mußte 
verfassungsmäßig orthodox getauft werden. Wie die bekannten An- 
sprüche der katholischen Kirche bei Mischehen überwunden worden 
sind, ist nicht bekannt geworden. In Bulgarien, wo der Fürst, 
selber katholisch, sich mit einer katholischen Prinzessin zu vermählen
	        
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