Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunter Jahrgang. 1893. (34)

374 Nebersicht der politischen Entwickelung des Jahres 1893. 
lich ist. Der junge König glaubte durch einen Staatsstreich Ret- 
tung bringen zu können, indem er sich plötzlich (Nacht vom 13./14. 
April) an einer Tafel, zu der er die Regenten und Minister ge- 
laden, für majorenn erklärte und ein gemäßigt radikales Kabinett 
unter seinem Erzieher Dokitsch einsetzte. Am Ende des Jahres saß 
man aber schon wieder fest. 
Amerika. Die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika gingen dem 
Jahre 1893 mit den blühendsten Hoffnungen entgegen. In diesem 
Jahr sollte ja die Weltausstellung zu Ehren der 400jährigen Jubel- 
feier der Entdeckung stattfinden, die, wie man sich vornahm, alles 
Vorhergehende durch ihre Größe in Schatten stellen und nicht nur 
Asien und Australien sondern auch das alte Europa mit staunender 
Bewunderung vor der Jugendkraft Amerikas erfüllen würde. Die 
„Columbische“ wurde diese Ausstellung genannt und eine Stadt 
nicht an der Küste, sondern mitten im Kontinent, Chicago dafür 
bestimmt. Die Ausstellung ist auch wohl gelungen, namentlich 
Deutschland hat sich auf die persönliche Anregung des Kaisers wesent- 
lich und mit Auszeichnung daran beteiligt; die europäischen Staaten 
haben Kriegsschiffe hinübergeschickt, um den Präsidenten der Union 
feierlich zu den Festen zu begrüßen, aber die Amerikaner sind aller 
dieser Erfolge nicht froh geworden. Die auf die ganze Welt drückende 
wirtschaftliche Krisis hat hier, nach dem Gesetz, daß wo die Flut 
am höchsten auch die Ebbe am tiefsten, die allerschwersten Ver- 
wüstungen angerichtet. Der Goldbedarf Europas, wo Österreich 
zur Hartgeldwährung übergehen wollte und Rußland einen Schatz 
von 2 Millarden Mark (600 Mill. Rubel) in Gold aufsammelte, 
entzog im Anfang des Jahres den Vereinigten Staaten so viel 
Gold, daß die Geschäftswelt in Unruhe geriet. Die Reserve des 
Schatzamts sank auf 90 Mill. Dollars, ein seit der Beseitigung der 
Papierwährung 1878 nicht dagewesener Tiefstand. Der Versuch 
durch Erhöhung der Silberankäufe auf 4 Mill. Unzen monatlich 
(Sherman-Bill von 1890) das gesamte überschüssige Silber aufzu- 
saugen und dadurch den Silberpreis wieder auf den alten Stand 
zu bringen, war mißlungen und erwies sich je länger je mehr als 
unhaltbar. Es zeigte sich, daß der Silbervorrat und die Silber- 
produktion viel größer waren als angenommen; der Silberpreis
	        
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