42 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 3.)
sparen, gewiß wir können die Lage der Nation verbessern; aber wir können
damit nicht machen, daß wir nicht einen Tag mit Krieg überzogen werden;
und wenn der Tag kommt, dann brauchen wir eine Stimmung in der
Nation, die nicht davon abhängt, was dann im Geldschrank sein wird,
sondern, die zum großen Teil von dem Gefühl bedingt werden wird: für
was halten wir uns selber dem Feinde gegenüber, wie stark schlagen wir
unsere Macht an, können wir den Glauben haben, daß wir überlegen sein
werden, oder müssen wir uns schwächer fühlen? Die Stimmung der ersten
Tage im Kriegsfalle kann entscheidend für den ganzen Verlauf des Krieges
werden, und sie wird nur dann eine gute sein, wenn die Nation die Ueber-
zeugung hat, daß geschehen ist, was möglich ist, um die Kraft der Nation
ganz und auf die denkbar zweckmäßigste Weise einzusetzen. (Sehr richtig!
rechts.) Dann wird es sich nicht bloß um Geldopfer handeln, die gebracht
werden müssen, dann werden auch Blutopfer verlangt werden, und Blut-
opfer, die dann nicht mehr geringer zu gestalten sind; während, wenn Sie
uns jetzt die Möglichkeit geben, gute Truppen herzustellen, gute junge
Truppen da zu verwenden, wo nur gute, junge Truppen verwendet werden
können, wir mit dem Grade von Wahrscheinlichkeit, der in menschlichen und
kriegerischen Dingen möglich ist, behaupten können, wir werden an Blut
sparen, wenn wir zur rechten Zeit die Aenderungen in unserem Armeewesen
vornehmen, die erforderlich sind. Wir dürfen nicht und ich möchte da-
rauf doch aufmerksam machen — das Gefühl, die Schwächeren zu sein, in
der Nation aufkommen lassen. Es ist ja ein unzweifelhafter Nachteil dieser
Verhandlungen, daß, wenn die Militärvorlage nicht zu stande käme, im
Volk und in der Armee etwas von dem Gefühl zurückbleiben wird: wir
sind nicht mehr so stark, wie wir geglaubt haben. (Sehr richtig! rechts.)
Und dann werden die Tage kommen, wo eine volle Patronentasche mehr
wert ist, als ein volles Portemonnaie, und wo der Kurszettel nicht die
Kriegsdepeschen, sondern die Kriegsdepeschen den Kurszettel machen. (Sehr
wahr! rechts.) Auf die Zeit müssen wir vordenken, dafür müssen wir die
Armee gestalten, dafür müssen wir sie stärken, um dann nicht dem Vorwurf
ausgesetzt zu sein, warum thatet Ihr damals nicht das Eurige?
Die verbündeten Regierungen sind von dem Ernste der Verantwor-
tung, die sie tragen, so voll überzeugt, daß sie alles, was in ihren Kräften
steht, jetzt gethan haben und thun werden, um die Nation in den Zustand
zu setzen, daß sie bei Eintritt eines Krieges mit dem Bewußtsein, nicht
allein das Ihrige gethan zu haben, sondern auch die Chancen des Erfolges
für sich zu haben, das Gewehr in die Hand nehmen kann. (Bravo!) Nicht
die Wirkung allein würde eine Ablehnung haben, daß Volk und Armee
eine Einbuße an Selbstgefühl erleiden; wir würden auch im Innern noch
nach mancher Richtung, nach meiner Ueberzeugung, es empfinden und schmerz-
lich empfinden, wenn die Militärvorlage nicht durchginge. Unser Verkehrs-
leben — wie oft ist das in den letzten Monaten ausgesprochen worden —
bedarf einer gewissen Stetigkeit, Handel und Wandel wollen mit Sicherheit
darauf rechnen können, daß sie eine längere Zeit ungestört existieren können.
Es gilt das sogar von der Landwirtschaft; wenn die Militärvorlage nicht
durchgeht, wird eine Unsicherheit eintreten (Widerspruch links), die wir nicht
zu bannen im stande sind. Man wird bei jedem Wölkchen am politischen
Horizont nach dem Wetterglase laufen, um nachzusehen, ob man noch ein
etwas weitsichtiges Geschäft unternehmen kann oder nicht. Wir würden,
wenn die Militärvorlage abgelehnt wird, dem Lande auch das nicht geben
können, was doch zweifellos von vielen Seiten lebhaft begehrt wird und
was wir, wenn auch nicht leicht, so doch als Acquivalent zu geben ent-
schlossen waren: die zweijährige Dienstzeit und die Möglichkeit, im Kriegs-