Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 3.) 45
Regierungen mit dem Gesetz verfolgen, nicht annullieren; wir würden auch
mit diesem Gesetz — zwar nicht ganz dahin kommen, wohin wir wollten
— aber zweifellos weiter.
Bei den Erwägungen darüber, ob dieser Antrag Huene den ver-
bündeten Regierungen annehmbar ist oder nicht, wird eine wesentliche Rolle
die Rücksicht auf die möglichen Neuwahlen spielen. Die verbündeten Re-
gierungen sind auch nach dieser Beziehung von der Verantwortlichkeit der
Lage tief durchdrungen. Sie erkennen, daß bei dem gegenwärtigen Zustand
unserer Parteiverhältnisse, bei der gegenwärtigen Stimmung der Bevölkerung
Neuwahlen ungleich größere Erschütterungen mit sich bringen können, als
das bisher der Fall gewesen ist, und es würden, wie ich vermute, die ver-
bündeten Regierungen geneigt sein, diesem Motiv einen großen Einfluß auf
ihre Entschließungen zuzustehen. Für Preußen bin ich zu der Erklärung
ermächtigt, daß es in dem Antrage Huene eine annehmbare Lösung der
Militärfrage findet. (Bravo!)
Wir kommen nach unserer Ueberzeugung dabei sehr weit entgegen;
wir würden nicht einen Schritt weiter gehen können als dieser Antrag, wir
würden uns auch vorbehalten, die Konzessionen, die wir machen, wenn ein-
mal Neuwahlen doch nicht zu vermeiden sind, dann zurückzunehmen, auch
in späteren Jahren das, was jetzt abgelehnt wird, was wir dann als dring-
lich erweisen können, nachzufordern. (Zwischenruf.) Wir treten voll auf
den Boden des Quinquennats, und zu weiterem haben wir uns niemals
verpflichtet. Niemals ist eine Aeußerung vom Regierungstisch gefallen, die
darüber hinaus Verpflichtungen übernommen hätte; keine Regierung kann das.
Wir glauben, indem wir dem Antrag Huene ein freundliches Ent-
gegenkommen zusagen, bis an die Grenze gegangen zu sein. Wir bitten
Sie: kommen Sie mit uns, helfen Sie uns, das zu thun und durchzusetzen,
was für die Erhaltung des europäischen Friedens, für die Sicherheit der
Ehre und der Zukunft Deutschlands erforderlich ist! (Lebhaftes Bravo!)
Kriegs-Minister von Kaltenborn-Stachau:
Es sind in neuester Zeit die Resultate des diesjährigen Ersatzgeschäfts
auf Grund der neuen Bestimmungen, wonach also sämtliche Tauglichen fest-
gestellt werden sollen, zum größten Teil eingegangen. Dieselben haben das
Ergebnis gehabt, daß in den Bezirken im allgemeinen vorhanden sind 74%
Taugliche mehr als im Jahre 1890/91. (Hört! hört! rechts.) Die Mili-
tärvorlage erfordert indessen nur ein Mehr von 22 bis 23%, sodaß 51 bis
52% Taugliche mehr als erforderlich noch verfügbar bleiben (hört! hört!
rechts), sofern das Resultat des Ersatzgeschäfts in den noch ausstehenden
Bezirken dasselbe ist, wie in denen, über welche die Berichte schon vorliegen.
In Bezug auf die Manquements der Offiziere und Unteroffiziere ist
schon zugegeben, daß es in drei bis fünf Jahren möglich sein würde, diese
Manquements zu decken. Im Jahre 1860 hat die Infanterie ein Manque-
ment gehabt von 16,7 % an Offizieren, im Jahre 1865 war dieses Manque-
ment bis auf 1,1% zurückgegangen. (Hört! hört! rechts.) Wir hoffen,
daß in kürzerer Zeit bei uns ein gleicher Erfolg erreicht werden wird.
In Bezug auf die Unteroffizier-Manquements führe ich nur an, daß
der Zuwachs an Stellen für die Infanterie von 1860 gegen 1859 41 %
betrug, und daß der hieraus entstandene Bedarf im wesentlichen 1862 ge-
deckt war.
Abg. Freiherr von Huene (Zentr.):
Es ist heute der Tag, wo jeder das Recht und die Pflicht hat, sich
so zu entscheiden, wie er es vor seinem Gewissen verantworten kann. Ich
habe mich entschieden, diesen Antrag zu stellen. Ich habe freilich nicht