Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zehnter Jahrgang. 1894. (35)

34 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 29. — 31.) 
Ende Januar. (Kaiser und Fürst Bismarck.) 
Die Zeitungen erschöpfen sich in Vermutungen und Erörterungen 
über etwaige politische Folgen der Aussöhnung zwischen dem Kaiser und 
Fürst Bismarck. 
29. Januar. (Elsaß-Lothringen.) Eröffnung des Landes- 
ausschusses durch den Statthalter. 
29. Januar. (Nürnberg.) Germanisches Museum. 
Nach den Vereinbarungen, welche zwischen dem Deutschen Reiche, 
dem Staate Bayern und der Stadtgemeinde Nürnberg bezüglich des Ger- 
manischen Museums getroffen worden sind, werden die zur Zeit 85,200 M. 
etatisierten persönlichen und sachlichen Verwaltungskosten des Museums in 
der Weise getragen, daß das Reich 62,000 M., der bayerische Staat 18,000 M. 
und die Stadt Nürnberg 5200 M. beitragen. Von dem künftig sich auf 
mehr als über 85,200 M. belaufenden Mehrbedarf bis zum höchsten Betrag 
von 99,000 M. trägt, soweit derselbe nicht durch die zugesicherten Zuschüsse des 
Reiches gedeckt wird, der bayerische Staat zwei Drittel, die Stadtgemeinde 
ein Drittel. („Allg. Ztg.“) 
29.—31. Januar. (Reichstag.) Erste Beratung des Gesetz- 
entwurfs betreffend die anderweitige Ordnung des Finanzwesens 
im Reiche. 
Schatzsekretär Graf v. Posadowski: Meine Herren, als die ver- 
bündeten Regierungen den Gesetzentwurf, betreffend die Finanzreform im 
Reiche, einbrachten, deren integrierender Teil drei Spezialsteuergesetzentwürfe 
sind, hatten die verbündeten Regierungen den dringenden Wunsch, daß diese 
Finanzvorlagen von dem hohen Reichstage als ein Ganzes betrachtet wür- 
den, und zwar zunächst die Finanzreform zur Beratung gelangte, deren 
notwendiges Korrelat die drei einzelnen Steuergesetzvorlagen sind. Als der 
hohe Reichstag beliebte, einen anderen geschäftsordnungsmäßigen Beschluß 
zu fassen, der Art, daß zunächst die Einzelvorlagen zur Beratung gestellt 
würden, und erst am Ende der Beratung die Finanzreformvorlage zur Be- 
ratung gelangen sollte, so war damals dieser Entschluß den verbündeten 
Regierungen höchst unerwünscht. Jetzt aber, nachdem einmal die Sache sich 
so gestaltet hat, glauben die verbündeten Regierungen den Parteien, die 
nicht aus sachlichen, sondern zunächst wohl aus taktischen Gründen für 
diesen Beschluß gestimmt haben, dankbar sein zu müssen. Meine Herren, 
das Finanzreformgesetz ist eine außerordentlich komplizierte Materie, die 
eine eingehende Kenntnis unseres ganzen Finanzwesens erfordert, und es ist 
klar, daß weiten Kreisen der Bevölkerung, die von einem solchen Projekt 
nur durch die Zeitungen Kenntnis erhalten haben, das Verständnis für eine 
derartige großartige organisatorische Maßregel fern liegt und schwierig ist. 
Dadurch indessen, daß infolge des Beschlusses des hohen Hauses die Finanz- 
reformvorlage zunächst abgesetzt ist von der Tagesordnung des hohen Hauses, 
ist den Einzellandtagen Gelegenheit gegeben, über die Vorlage eingehend 
zu diskutieren, und wir glauben, daß dadurch das Verständnis für die 
politische und finanzwirtschaftliche Wichtigkeit dieser Vorlage in weiten 
Kreisen der Bevölkerung gewachsen ist. Wir haben gehört, daß in einer 
Reihe von Einzellandtagen die Finanzreformvorlage der verbündeten Re- 
gierungen den größten Sympathien begegnet ist, und ich habe persönlich 
den Eindruck, als ob diejenigen, die aus rein taktischen Gründen, weil sie 
überhaupt eine Finanzreform nicht wollen im Reich, die Vorlage zurück- 
gestellt haben, es zwar sehr böse mit uns gemeint haben, daß aber der
	        
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