132 Das Deutsche Reich uad seine einzelnen Glieder. (Mai 8.)
delt. So hat die Kommission in § 111 die Verherrlichung des Wider-
standes gegen die Staatsgewalt, die recht eigentlich in den Rahmen dieses
Gesetzes gehört, beseitigt dadurch, daß sie die Bezugnahme auf den § 113
des Strafgesetzbuchs gestrichen hat. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß
der Reichstag diesen Paragraphen wieder einsetzen wird, um so mehr, als
es sich ja nicht um passiven Widerstand handelt, sondern nur um den
Widerstand mit Gewalt, Bedrohung und thätlichem Angriff. Eine Aus-
scheidung dieses Paragraphen würde eine Schwächung der Vorlage mit sich
bringen, die sehr zu bedauern wäre. Was nun den zweiten Teil des
§ 111 anbetrifft, so kann ich in dem Vorschlag der Kommission keine Ver-
besserung erkennen. Die Vorlage will Den treffen, der vor der Oeffent-
lichkeit Verbrechen und Vergehen anpreist, dieselben als erlaubt darstellt,
sofern die hieraus sich ergebende Verwirrung des Rechts= und Sittlichkeits-
gefühls die Gefahr in sich trägt, die Neigung zur Begehung ähnlicher
strafbarer Handlungen hervorzurufen oder zu steigern. Die Kommission
will aber nur dann strafen, wenn der Thäter Andere zur Begehung straf-
barer Handlungen angereizt hat. Darin sehe ich eine Abschwächung des
Gesetzes, zu der ich kein genügendes Motiv erkennen kann. Ebenso halte
ich es juristisch nicht zu rechtfertigen, wenn die Anpreisung von Handlungen
mit Strafe bedroht wird, die, wenn auch sittlich zu verurteilen, dennoch
nach dem geltenden Recht nicht strafbar sind. Um Uebrigen kann ich mich,
was den § 111 betrifft, dem Antrag der Herren Abgeordneten von Levetzow
und Genossen anschließen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich über eine
Form des Gesetzes zu verständigen, die der Regierung die Mittel an die
Hand giebt, revolutionären Bestrebungen mehr als bisher mit der nötigen
Kraft entgegenzutreten.
Abg. Barth (frs. Vg.) gegen die Vorlage: Der § 111 stelle Alles
in das Ermessen des Richters, der keine objektiven, sondern nur subjektive
Merkmale habe; wie könne er eine Entscheidung treffen, was eine Glori-
fikation sei und was nicht? Dazu müsse er erst feststellen, wie sie gewirkt
habe, für welches Publikum sie berechnet war u. s. w. Wer die Entwicke-
lung der Sozialdemokratie in Deutschland verfoltt habe, könne nicht über-
seheen, daß die revolutionären und anarchistischen Agitatoren mehr und mehr
von den Führern zurückgedrängt werden. Eine Bekämpfung der Sozial-
demokratie sei nur auf dem Wege der freien Kritik und Diskussion möglich,
die durch dieses Gesetz so außerordentlich erschwert werde. Die heutige
Sozialdemokratie habe kein Interesse daran, sich einer Gewaltpolitik zuzu-
wenden. Es sei notwendig, daß sich der ruhige Staatsbürger bessere Nerven
anschaffe gegenüber gelegentlichen Aeußerungen der sozialdemokratischen
Agitation. Abg. v. Manteuffel (kons.) erklärt, daß die konservative
Partei bei Ablehnung ihres Antrages gegen das ganze Gesetz stimmen werde.
Die Vorlage sei durch die Kommission erheblich verschlechtert, allein das
Betonen der christlichen Anschauung sei dankenswert. Abg. Auer (Soz.):
Die Vorlage werde von den Kreisen, die am lautesten nach Schutz geschrieen
hätten, den Mittelparteien, verleugnet, das Zentrum habe dagegen der ihr
ursprünglich unsympathischen Vorlage seinen Stempel aufgedrückt. Die
sozialdemokratische Partei sei nicht gewaltthätig, und dieser immer wieder-
holte Vorwurf mache den Eindruck, daß man insbesondere in militärischen
Kreisen die Revolution hervorrufen wolle, um sie mit militärischer Macht
niederzuschlagen. Kriegsminister Bronsart von Schellendorff: Die
Armee sehe keine Ehre darin, unbotmäßige Pöbelhaufen zu bezwingen. Wir
betrachten es als angenehme Pflicht, das der Polizei und Feuerwehr zu
überlassen. (Stürmische, lang andauernde Heiterkeit auf allen Seiten des
Hauses.)