Bie Gesterreigisc= Anzarische Menartzie. (Juli 3.—14.) 225
3. Juli. (Wien.) Der Führer der Deutsch-Liberalen, Plener,
in der Koalitionsregierung Finanzminister, legt sein Abgeordneten-
mandat nieder und wird (30. Juli) zum Präsidenten des gemein-
samen Rechnungshofs ernannt.
5. Juli. (Prag.) Omladina und Jungtschechen.
Die Vertreter der omladinistischen Fraktion beschließen für den Fall,
daß die jungtschechischen Abgeordneten die Oppofsition nicht entschieden weiter-
führen wollen, bei den nächsten Landtagswahlen mit einem selbständigen
Kandidaten hervorzutreten.
10. Juli. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Annahme der Po-
sition Cilli.
Abg. Kaltenegger (deutsch-klerikal) für die Annahme der Position,
die eine Forderung der Gerechtigkeit sei. Von der Linken wird er stürmisch
unterbrochen und Verräter genannt, er antwortet seine Meinung sei die-
selbe wie der früheren deutsch-liberalen Minister v. Plener und Graf
Wurmbrand. Dr. Rittner (Leiter des Unterrichtsministeriums): Zu dieser
Frage vom politischen Standpunkte aus Stellung zu nehmen, liege der gegen-
wärtigen Regierung nach der Natur ihrer Aufgabe durchaus fern, fie müsse
vielmehr diese Frage der Beurteilung und Entscheidung des Haufes anheim-
stellen. Abgeordneter Graf Wurmbrand (früher Handelsminister) erklärt
Kalteneggers Behauptung, Plener und er hätten im Ministerrat für den
Posten Cilli gestimmt, für falsch. „Wir waren uns bewußt, daß gerade
die Errichtung der slovenischen Mittelschule in Cilli zur Verhetzung im Lande
beitragen werde. Wenn Kaltenegger behauptete, er sei in Uebereinstimmung
mit den beiden Ministern der Linken gewesen, so muß ich gegen eine solche
Gesellschaft im eigenen und im Namen Pleners protestieren."
Die Forderung wird mit 173 gegen 143 Stimmen angenommen.
Dagegen stimmt die Linke, die Deutschnationalen, alle Antisemiten und
Italiener, ferner Kronawetter und Pernerstorfer, dafür die Rechte, alle sla-
vischen Abgeordneten und Klerikaleren. Von den frühen Ministern stimmen
Falkenhayn und Madeyski mit der Rechten, Wurmbrand mit der Linken.
Juli. Die Presse über den Beschluß in der Cillifrage.
Das „Fremdenblatt“ meint, bei sachlicher Behandlung der Frage
hätte sich eine Einigung erzielen lassen. Die ungeschickte Taktik der deut-
schen Linken habe eine ihr wohlwollende Regierung gestürzt, ohne die Be-
willigung des Cillier Gymnasiums verhindern zu können.“
„Neue Freie Presse“: Der Beschluß sei ein Verrat am Vater-
lande, an dem Graf Hohenwart die Schuld trage. Das „Neue Wiener
Tageblatt“ greift die Klerikalen heftig an, die keine deutsche Gefinnung
besäßen. „Vaterland“ (klerikal): durch die Entscheidung der Cillier
Frage sei wieder gezeigt worden, daß selbst unter den zerfahrensten parla-
mentarischen Verhältnissen eine slavenfeindliche Politik in Oesterreich nicht
möglich sei. Welche Partei immer Anspruch auf ernste Beachtung erheben
wolle, müsse mit dieser Thatsache rechnen.
14. Juli. (Steiermark.) Protest gegen die Bewilligung
der Cilliforderung.
In einer zahlreich besuchten Wählerversammlung des städtischen und
Landgemeinde-Wahlbezirks zu Graz wird eine Resolution angenommen, in
welcher gegen die geplante Errichtung eines slovenischen Gymnasiums in
Gurop. Geschichtskalender. Bd. XXXVI. 15