Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

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4. Oktober. (Wien.) Der Kaiser bestimmt, daß der Minister 
des Kaiserlichen Hauses fortan den Titel „Minister des Kaiserlichen 
und Königlichen Hauses“ zu führen habe. 
14./15. Oktober. (Agram.) Antiungarische Demonstrationen 
während der Anwesenheit des Kaisers. 
Der Kaiser wohnt der Einweihung eines Theaters in Agram bei 
und wird begeistert empfangen. Während der Feier kommt es zu Krawallen 
zwischen Kroaten und Ungarn; eine ungarische Fahne wird von kroatischen 
Studenten verbrannt, die Fahnen der ungarfreundlichen Serben werden 
gewaltsam entfernt und beschimpft. 
Oktober. (Ungarn.) Folgen der Agramer Ausschreitungen. 
Presse. Reichstag. Strafen. 
Die maghyarischen Zeitungen find empört über die Demonstrationen 
gegen Ungarn und greifen den Banus von Kroatien, den Grafen Khuen 
Hedervary heftig an, weil er sie nicht zu verhindern gewußt habe, Im 
Abgeordnetenhause wird die Regierung wegen dieser Vorgänge inter- 
pelliert, Ministerpräsident v. Banffy erklärt, die Beleidigung der ungari- 
schen Fahne werde durch die Bestrafung der Schuldigen gesühnt werden, 
eine andere Genugthuung sei überflüssig (25. Oktober). 
In Agram beschließt der Gemeinderat, dem Ministerpräfidenten sein 
Bedauern über die Skandale auszusprechen (21. Oktober). Die an den 
Exzessen beteiligten Studenten werden disziplinarisch bestraft, ein Teil wird 
religiert. 
20. Oktober. (Böhmen.) Graf Badeni hebt den Ausnahme- 
zustand für Prag und Umgebung auf (vgl. 1893). 
22. Oktober. (Wien.) Abgeordnetenhaus. Programmrede 
Badenis. Haltung der Parteien. 
Ministerpräsident Graf Badeni erklärt, die Regierung wünsche ein 
friedliches Zusammenleben der zu einem Ganzen vereinigten Nationen Oester- 
reichs und werde allen Erscheinungen entgegenwirken, welche diesen Frieden 
zu beeinträchtigen geeignet seien, und durch ebenso entschiedenes wie wohl- 
wollendes Vorgehen diesen Frieden herbeizuführen suchen. Zwei leitende 
Grundsätze seien hierbei für das Parlament ebenso wie für die Regierung 
maßgebend; aktuell berechtigte, dem jeweiligen Zustande der Entwickelung 
entsprechende Ansprüche, soweit sie sich in den Grenzen der staatsrechtlichen, 
finanziellen und wirtschaftlichen Zulässigkeit bewegen, sollen stets gerechte 
und wohlwollende Würdigung finden, wenn sie auf gesetzlichem Wege geltend 
gemacht werden; dies könne und solle aber nur in der Art geschehen, daß 
die auf dem historischem Momente beruhende traditionelle Stellung und 
langjährige allen anderen Völkern voranleuchtende Kultur des deutschen 
Volkes gebührende Beachtung finden müsse. In der sogenannten böhmischen 
Frage bringe die Regierung der tschechischen Nation volles Vertrauen ent- 
gegen, verzichte auf jede Rekrimination und habe auf den glänzend erprobten 
Patriotismus des böhmischen Volkes bauend den ersten Vertrauensbeweis ge- 
liefert, durch die Aufhebung des Ausnahmezustandes. Gegenüber den Parteien 
des Hauses stehe die Regierung vollkommen frei da und gedenke es auch weiter 
u bleiben. Dies sei jedoch nicht so zu verstehen, als ob die Regierung bald 
er einen, bald der anderen Parteirichtung sich akkommodieren wolle, sondern 
diese Worte bedeuten, „daß wir zu führen und nicht uns führen zu lassen ge- 
 
	        
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