Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Elfter Jahrgang. 1895. (36)

268 Italien. (Juli 10.—25.) 
Am 25. Juni beantragt die äußerste Linke und die Rechte, eine 
parlamentarische Untersuchung der Sache Cadallotti-Crispi einzuleiten, 
Torrigiani beantragt die Verhandlung dieser Anträge auf 6 Monate zu 
vertagen. Crispi stimmt zu, da er sich in seinem Gewissen rein fühle. 
Hierauf wird der Antrag Torrigiani mit 283 gegen 115 Stimmen an- 
genommen. 
10. Juli. (Deputiertenkammer.) Genehmigung der Fi- 
nanzdekrete. 
Nach mehrtägiger Beratung der Finanz= und Schatz-Maßregeln, in 
der namentlich Crispi und Sonnino die Maßregeln der Regierung begründen, 
genehmigt die Kammer die von der Regierung erlassenen Sinan er#t (val. 
1894) durch folgenden Beschluß: „Die Kammer erkennt die außergewöhnliche 
Zwangslage an, in der sich die Regierung bezüglich der Fürsorge für die 
Staatsverwaltung befand, erklärt es für notwendig, den Erlassen die ge- 
setzliche Gutheißung zu gewähren, und geht zur Beratung der einzelnen 
Artikel über.“ 
Unter diesen Dekreten befinden sich Zollerhöhungen auf Zucker, Glu- 
cosé, Palmöl, Parafin und Petroleum, sowie die Einführung eines Zolles 
von 3 Lire pro Doppelzentner auf die bisher, gleich allen übrigen Roh- 
stoffen, zollfreie Rohbaumwolle: Erhöhungen der Steuer auf Cichorie und 
Kaffeesurrogate, raffiniertes Petroleum, Spiritus, sowie eine Steuer auf die 
bisher steuerfreien Streichhölzer, Leuchtgas und elektrisches Licht; höhere 
Belastung der Hypotheken, Versicherungen, Civilprozesse und Erbschaften; 
Maßregeln bezüglich der Vereinheitlichung der Staatsschulden, des Staats- 
papiergeldumlaufs, der Depositen= und Leihkassen, der Ueberwachung der 
Emissionsbanken, der Konvention mit der Banca d'Italia, der Neuordnung 
des Banco di Sicilia und des Banco di Napoli, die Abänderung der Liqui- 
dationsmethoden der Staatspensionen. 
11. Juli. (Deputiertenkammer.) Erhebung des 20. Sep- 
tember zum nationalen Festtag. 
Die Kammer beschließt in geheimer Abstimmung, den Jahrestag der 
Einnahme Roms als bürgerlichen Feiertag zu begehen mit 204 gegen 62 
Stimmen. Dagegen sprachen Colajanni, weil der Augenblick zu einem 
solchen Fest nach den zahlreichen Siegen des Klerikalismus nicht opportun 
sei, und Imbriani, weil das Vaterland noch nicht völlig einheitlich sei. 
Wegen dieser Aeußerung wird der Redner zur Ordnung gerufen. (Annahme 
im Senat mit 87 gegen 28 Stimmen 17. Juli.) 
13.225. Juli. (Deputiertenkammer.) Blanc über Abeffy- 
nien (vgl. Rußland). 
In der Beantwortung einer Interpellation über die abessynische An- 
gelegenheit erklärt der Minister des Auswärtigen Blanc, König Menelik 
sei Kraft der europäischen und italienischen Abmachungen thatsächlich ein 
Schützling Italiens. Italien habe in Abessynien seine Fahne aufgeflanzt 
und sie nicht zurückgezogen. Am 25. teilt der Minister mit, Rußland habe 
Italien erklärt, es verfolge nur religiöse Interessen in Abessynien. Ferner 
teilt er mit, 1. daß Italien mit den englisch-egyptischen Behörden ein Proto- 
koll über zweckentsprechende Regelung der Nordgrenze abgeschlossen habe; 
2. daß von England und Deutschland Maßregeln zur Verhinderung der 
Durchfuhr von Waffen nach Aethiopien getroffen seien; 3. daß eine Reihe 
von Mächten von der Mitteilung Italiens über die Wiederaufnahme des
	        
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