Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 29.—30.) 31
Der Streit wird in der Presse und in politischen Versammlungen
lebhaft diskutiert; industrielle Kreise und mittelparteiliche Blätter nehmen
für Stumm Partei; die akademischen Kreise erklären sich zum größten Teil
für Wagner.
29. Januar. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Landwirt-
schaftlicher Etat. Hammerstein über die Notlage der Landwirte.
Minister v. Hammerstein-Loxten: Er sei ein Gegner des öster-
reichischen Handelsvertrages gewesen, erkenne aber die übrigen als logische
Folge des österreichischen an, insbesondere sei der russische notwendig ge-
wesen, da ein längerer Zollkrieg den Osten schwer geschädigt haben würde.
Die preußische und die Reichsregierung seien über die Ziele der Wirtschafts-
politik einig. An der kritischen Lage der Landwirtschaft seien nicht Per-
sonen, sondern internationale Ursachen schuld, so namentlich die neu auf-
tauchenden Produktionsländer wie Indien und Argentinien. Der Staat
werde möglichst helfend eingreifen, aber dazu gehöre Vertrauen zur Regie-
rung. Für die Verbesserung der landwirtschaftlichen Lage seien zwei Ge-
sichtspunkte maßgebend: Erstens: Welche Maßnahmen sind möglich und zu
ergreifen, um die Produktionskosten herunter zu drücken, und zweitens:
Welche Mittel sind möglich und zu ergreifen, um die Preise der landwirt-
schaftlichen Produkte zu steigern? Bei der Grund= und Gewerbesteuer seien
nur landwirtschaftlichen Kreisen Erleichterungen bewilligt worden; ferner
werde eine Verbesserung der Verkehrsmittel, namentlich der Wasserstraßen,
und der Ausbau der Kleinbahnen von Nutzen sein. Im Osten müsse die
Viehzucht Fortschritte machen. Im Interesse der Landesverteidigung müsse
Deutschland seinen Bedarf an Getreide und Fleisch selbst decken können,
daher müsse der Getreidebau wieder lohnend werden. Empfehlenswert seien
Produktions= und Absatzgenossenschaften. Auch der Zuckerproduktion müsse
durch Ausfuhrprämien geholfen werden. Ueber den Antrag Kanitz äußert
sich der Minister noch nicht definitiv, der Staatsrat werde sich damit be-
schäftigen. Eine Regelung der Währung liege auch im Interesse der Land-
wirtschaft, aber Deutschland könne nicht allein vorgehen. Zum Schluß
empfiehlt der Minister noch einmal Vertrauen zur Regierung zu haben und
die „kleinen Mittel“ nicht zu verachten, mittelst deren der westfälische
Bauernverein unter Leitung des Herrn v. Schorlemer-Alst große Erfolge
erzielt habe. Im folgenden sprechen die Abgg. Gampp (srk.) und von
Puttkamer-Plauth (kons.) dem Minister trotz mancher Meinungsver-
schiedenheiten ihr Vertrauen aus.
29. Januar. (Reichstag.) Zollzuschläge auf spanische
Waren.
Die Allerhöchste Verordnung, Zollzuschläge auf spanische Importen
bis zu 50 % zu erheben, wird genehmigt. Zwei Anträge v. Salisch und
Dr. Hammacher auch zgollfreie Waren mit Zöllen zu belegen resp. den
Zoll auf 100 % zu erhöhen werden an die Zolltarifkommission verwiesen.
30. Januar. (Preuß. Abgeordnetenhaus.) Landwirt-
schaftlicher Etat. Zuckerprämien.
Abg. Richter (frs. Vp.) sieht die Ursache der landwirtschaftlichen
Krisis in der Ueberproduktion an Getreide und Zucker, man müsse sie da-
her einschränken. Von den vorgeschlagenen Mitteln zur Besserung sei der
Antrag Kanitz mit den Handelsverträgen unvereinbar, von den bevorstehen-
den Beratungen des Staatsrats sei nichts zu erwarten. Finanzminister
Migquel weist die Angriffe auf den Staatsrat, dessen Tagesordnung noch