Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 21.) 51
dem er die Militärvorlage genehmigt und auch dem durch die Handels-
verträge bedingten Ausfall an Einnahmen zugestimmt hat. Redner be-
kämpft sodann die anderweit vorgeschlagenen Reichs-Erbschaft und Reichs-
Einkommensteuer, ebenso wie auch die Luxussteuern. Nach alledem müsse
man immer wieder auf die beiden Steuerobjekte zurückkommen: Tabak und
Bier. Den Genuß von Tabak könne man sich versagen, sogar zum Vorteil
der Gesundheit. Und auch Bier sei ein Luxusartikel, wenigstens soweit
der Genuß über den verständigen Durst hinausgeht. Beim Bier kämen
aber staatsrechtliche Bedenken in Betracht, denn erhöhe man in Norddeutsch-
land die Biersteuer, so würde Süddeutschland erhöhte Aequivalente dafür
zahlen müssen, und das hätte dieselbe Wirkung, als wenn Süddeutschland
erhöhte Matrikularbeiträge zahlen muß. So bleibe also nur der Tabak.
Wenn man von den intransigenten Gegnern der Tabaksteuer absehe, so
gebe es doch auch gutwillige. Diese zögen Zollerhöhungen auf Tabak vor,
parallel mit einer geringeren Steuererhöhung. Der Gedanke sei schön, aber
nicht durchführbar, denn er würde den Tabaksbau zum Erliegen bringen.
Man könne den Tabakszoll nicht nach dem Werte bemessen. Redner be-
zeichnet ferner als undurchführbar, gleichwie in England den heimischen
Tabaksbau einfach zu verbieten und hohe Tabakszölle einzuführen. Daher
ebe es also nur: entweder Monopol oder Fabrikatsteuer. Will man das
Monopol nicht, dann bliebe, um höhere Erträge aus dem Tabak zu erzielen,
nur die Fabrikatsteuer. Es führe kein anderer Weg nach Küßnacht. Was
den Konsum anlange, so scheine festzustehen, daß die Zollerhöhung von
1879 auf denselben nicht eingewirkt habe. Ganz haltlos sei daher die
Versicherung des Fabrikantenvereins, daß der Deutsche nicht mehr pro Kopf
für seinen Tabakgenuß auszugeben vermöge, als bisher. Man erinnere
sich da an das Bier. Da sei doch der Verbrauch pro Kopf seit 1879/80
um 7½ M— pro Jahr gestiegen. Das Gerede von voraussichtlichen Arbeiter-
entlassungen sei also nichts als die unverantwortlichste, frivolste Hetze gegen
die Vorlage der verbündeten Regierungen. Wolle man keine Fabrikatsteuer,
so bleibe nur das Monopol übrig, und hierfür sei im Reichstag keine
Mehrheit zu finden. Man müsse also notgedrungen mit der Tabaksfabrikat-
steuer rechnen. Es handle sich bei letzterer darum, ob man eine Einheits-
steuer oder eine prozentuale Wertsteuer einführen wolle. Die Einheitssteuer
habe dieselben Fehler, wie die jetzige Gewichtssteuer; die Wertsteuer sei die
naturgemäße, namentlich für die billige Zigarre, die ja ⅜ des Konsums
ausmache. Man sage, der Tabak könne keine Steuererhöhungen vertragen,
es fehle aber an jeder Berechnung darüber, wie viel das deutsche Volk für
seinen Tabak ausgeben könne. Der ganze Kampf gegen die Vorlage sei
nur der Kampf der Fünfpfennig-Zigarre gegen die verbündeten Regierungen.
Der Weg, der hier betreten werden solle, sei ein sehr einfacher und leicht
gangbarer. Wer auf dem Standpunkt stehe, daß das Deutsche Reich über-
haupt keiner neuen Einnahme mehr bedürfe, für den sei auch diese Frage
erledigt; wer aber dafür halte, daß für bewilligte Ausgaben die Einnahmen
bewilligt werden müssen, müsse diese Vorlage prüfen. Durch Verweigerung
aller Mittel werde dem Vaterlande der größte Schaden zugefügt.
Abg. Müller-Fulda (Z.): Das Zentrum billige die Erhöhung
des Zolles, aber anfechtbar sei die Art der Besteuerung und ferner sei zu
besorgen, daß viele Tabak= und Zigarrenarbeiter brotlos werden würden.
Abg. Clemm (nl.): die Agitation der Fabrikanten gegen das Gesetz sei
unberechtigt, insbesondere die Behauptung, daß zahlreiche Arbeiter entlassen
werden müßten, denn die Industrie solle die 34 Millionen, welche der Ge-
setzentwurf fordert, nicht ersparen, sondern der Konsument solle sie bezahlen.
Abg. Frese (frs. Vg.): Die Folge erhöhten Zolles werde eine Ueberpro-
4*