54 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 22.—.23.)
hältnis der Konfessionen berücksichtigt. „Wir haben aber nicht immer die
nötigen Männer katholischen Glaubens. Ich habe hier vor mir eine
Statistik, von der ich eigentlich glaubte, daß ich sie erst bei den höheren
Schulen zur Sprache bringen wollte, aber sie paßt auch jetzt ganz gut
hierhin. Sie beweist, daß die deutschen höheren Lehranstalten vom katho-
lischen Teil der Bevölkerung relativ weniger besucht werden als vom evange-
lischen, und diese Erfahrung zeigt sich nicht nur in dem überwiegend protestan-
tischen Preußen, sondern auch in dem überwiegend katholischen Bayern und
Elsaß-Lothringen. In Preußen kam im Jahre 1890 ein evangelischer
Schüler auf 198 evangelische Einwohner, ein katholischer Schüler auf 366
katholische Einwohner. In Bayern sind die betreffenden Zahlen 150 und
236, in Elsaß-Lothringen 103 und 355. Die Ursachen sind ebenso schwer
zu ergründen als kompliziert. Die Statistik für die Juden stellt sich da-
gegen für Preußen 1: 30, für Bayern 1:27, für Elsaß-Lothringen 1: 49.
Dasselbe ergibt sich aus den Universitätsstatistiken, und alle diese Differenzen
zeigten den Rückstand der katholischen Konfession bis zum Universitäts-
studium hinauf; sie zeigen, daß das Streben nach wissenschaftlicher Aus-
bildung aus irgend welchen Gründen bei den Katholiken weniger entwickelt
ist als bei den Protestanten. Auf dem Kölner Katholikentag haben auch
in der That zwei Redner eine Mahnung in diesem Sinne ergehen lassen.“
(Vgl. Jhrg. 1894 S. 137.)
22. Februar. Urteile des Deutschen Handelstages
über Reichstagsbeschlüsse.
Der Deutsche Handelstag spricht sich im Hinblick auf den Antrag
Mirbach (vgl. S. 44) gegen jede Aenderung in der Währung aus; den
Gesetzentwurf zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes erklärt er für
eine brauchbare Grundlage, hält aber eine eingehende Ueberarbeitung für
notwendig. Ferner verwirft er die Kündigung des Handelsvertrages mit
Argentinien und die Erhöhung des Zolles auf Quebrachoholz und andere
überseeische Gerbstoffe (vgl. S. 27).
22. Februar. (Württemberg.) Der Landtag wählt Payer
(Volksp.) zum Präsidenten, Dr. Kinne (Z.) zum Vizepräsidenten.
23. Februar. (Berlin.) Auf einem Diner des Branden-
burgischen Provinziallandtags erwidert der Kaiser auf eine An-
sprache des Oberpräsidenten Dr. v. Achenbach:
„Die eben vernommenen Worte Ihres verehrten Herrn Ober-Präfi-
denten haben aufs neue die Gesinnungen der Treue und Anhänglichkeit
Meiner Märker zum Ausdruck gebracht. Von ganzem Herzen danke Ich
Ihnen dafür. Solche Gesinnungen sind in so schweren Zeiten doppelt
wert und find für Mich in Meinem dornenvollen Amt eine Erquickung und
Unterstützung. Denn sie bedeuten das Vertrauen, welches Sie in Ihren
Markgrafen setzen, und das Vertrauen bedeutet hinwiederum die Lust zur
Mitarbeit und zur Unterstützung; und das ist es, was Mir Meine Aufgabe
am meisten zu erleichtern im stande ist, wenn Mein ganzes Volk sich ent-
schließt, auch mit der That seinem Landesvater fördernd zur Seite zu stehen.
Die Fragen, welche im Augenblick die Gemüter bewegen, betreffen vor-
wiegend den Bauernstand. Wie dieselben angefaßt werden sollen, ist Ihnen
zur Genüge aus Meinen letzten Auslassungen bekannt. Ich hoffe von
ganzem Herzen, daß es Mir gelingen wird, dauernd Nützliches für Sie zu
schaffen, und mit ganzer Kraft will Ich dafür eintreten. Ich möchte aber