Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreizehnter Jahrgang. 1897. (38)

Das Dertsqhe Reit und seine einzelnen Glieder. (Mai 15.) 91 
zu erörtern (§ 8 der Verordnung vom 11. März 1850), dürfen Minder- 
lährige nicht als Mitglieder aufnehmen. Den Versammlungen und Sitzungen 
solcher Bereine dürfen Minderjährige nicht beiwohnen. Auf diejenigen 
Veranstaltungen, welche unter Ausschluß politischer Kundgebungen lediglich 
geselligen Zwecken dienen, findet dieses Verbot keine Anwendung. An 
solchen Veranstaltungen dürfen auch weibliche Personen teilnehmen. Die 
Verbindung von Vereinen untereinander ist mit der Maßgabe zulässig, daß 
politische Vereine (Absatz 1) nicht ohne Erlaubnis des Ministers des In- 
nern mit außerdeutschen Vereinen in Verbindungen treten dürfen. Die 
Bestimmungen in § 8 der Verordnung vom 11. März 1850, soweit sie 
Schüler und Lehrlinge betreffen, werden aufgehoben. 
Artikel V. 
Werden Minderjährige aus einer politischen Versammlung (Artikel 
II) oder aus Versammlungen oder Sitzungen politischer Vereine (Artikel IV) 
auf die Aufforderung der Abgeordneten der Polizeibehörde nicht entfernt, 
s kann die polizeiliche Auflösung der Versammlung oder Sitzung erfolgen. 
Im Falle der Auflösung einer Versammlung (Sitzung) auf Grund der 
vorstehenden Bestimmung oder des Artikels I finden die §§ 6 und 15 der 
Verordnung vom 11. März 1850 Anwendung. Wer als Vorstandsmitglied 
oder Beamter eines auf Grund des Artikels III geschlossenen Vereines 
thätig ist, oder Versammlungen eines solchen Vereines veranstaltet, dazu 
öffentlich einladet oder Räumlichkeiten hergibt, oder daran als Vorsteher, 
Ordner, Leiter oder Redner sich beteiligt, hat die Strafe des § 14 der Ver- 
ordnung vom 11. März 1850 verwirkt. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, 
welcher in sonstiger Weise der ferneren Thätigkeit eines geschlossenen Ver- 
eines Vorschub leistet. Wer sich bei einem geschlossenen Vereine als Mit- 
glied ferner beteiligt, unterliegt der Strafe des § 16 Abs. 2 a. a. O. Bei 
Zuwiderhandlungen gegen Artikel IV Absatz 1 und 3 findet der § 8 Ab- 
satz 2 und der § 16 der Verordnung vom 11. März 1850 Anwendung. 
Minderjährige, welche sich der Vorschrift des Artikels IV Abs. 1 zuwider 
als Mitglieder aufnehmen lassen, unterliegen der Strafe des § 16 Absatz 3 
a. a. O. 
Der Entwurf wird in der Presse lebhaft diskutiert. Prinzipiell 
lehnen ihn ab die Zentrumsorgane, die freisinnigen, antisemitischen und 
sozialdemokratischen Blätter und die „Zeit“ (nationalsozial). Diese be- 
zeichnen ihn als neue Auflage des Umsturz= und Sozialistengesetzes. Die 
meisten nationalliberalen Stimmen wollen allein das Verbot für Minder- 
jährige an Versammlungen teilzunehmen bewilligen, jedoch nicht in dieser 
Form, die den Polizeibeamten zu große Gewalt gebe. So erklärt sich das 
nationalliberale Zentralkomitee für die Rheinprovinz einstimmig dagegen 
(Köln 16. Mai). Die konservativen und agrarischen Blätter sind dafür, 
da sie von der Regierung keine unbillige Anwendung der neuen Bestim- 
mungen besorgten. Ganz entschieden lehnen den Entwurf ab die Polen; 
so sagt „Dziennik Kujawski“: „Unsere Bevölkerung wird sich, auf die 
eigenen Kräfte angewiesen, in sich selbst sammeln und die Feuerprobe sieg- 
reich bestehen. Unsere Brüder aber jenseits der russischen und galizischen 
Grenze, das gesamte Slaventum von der Donau bis zur Östsee, von der 
Weichsel bis zum Ural, sie würden mit uns den versetzten Schlag empfinden 
und nicht verfehlen, bezüglich ihres Verhaltens den Deutschen gegenüber die 
weiteren Konsequenzen zu ziehen."“ 
15. Mai. Das Preuß. Abgeordnetenhaus bewilligt mit 
großer Mehrheit 15 Millionen Mark für den Dortmund-Ems- 
Kanal.
	        
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