Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 9.) 101
betrug der Reinertrag der württembergischen Eisenbahnen 18.86 Millionen
Mark, d. i. gegen den Voranschlag mehr 3.61 Millionen Mark und gegen
1897 mehr 1.13 Millionen Mark oder 6.4 Prozent. Trotz dieser Ein-
nahmesteigerung stehe Württemberg mit seinen Eisenbahnen noch weit hinter
anderen Staaten zurück. Eine Ermäßigung des Stückgutstapeltarifs sei
nötig geworden. Eine Majorisierung durch Preußen sei nicht eingetreten,
aber obwohl man den Stapeltarif als ungünstig anerkannt habe, sei doch
die Ansicht der württembergischen Eisenbahnverwaltung dahin gegangen,
daß der Anschluß an den preußischen Tarif ohne Schädigung der württem-
bergischen Verhältnisse nicht zu umgehen sei. Der Minister verspricht eine
Herabsetzung des Mehltarifs und kommt sodann auf die Reform des Per-
sonentarifs zu sprechen. Es könne eine Herabsetzung der Grundtaxe für die
verschiedenen Wagenklassen pro Kilometer auf 6, 4, beziehungsweise 3.5
und 2.3 Pfennig in Aussicht genommen werden, was allerdings bedeutende Ein-
nahmeausfälle ergeben würde. Allerdings würden dann auch alle Aus-
nahmetarife, wie ermäßigte Rückfahrtskarten und Landeskarten, in Wegfall
kommen. Um neue Ausnahmetarife könne es sich nicht mehr handeln.
9. Juni. Der Reichstag genehmigt nach eingehender zehn-
tägiger Beratung die Novelle zum Invalidenversicherungsgesetz in
zweiter Lesung. (Annahme in dritter Beratung 15. Juni gegen 6
konservative und welfische Stimmen.)
9. Juni. Das Preußische Abgeordnetenhaus verweist
folgenden Gesetzentwurf betr. die Bildung der Wählerabteilung bei
den Gemeindewahlen an eine Kommission:
§ 1. In den Stadt- und Landgemeinden, in welchen die Bildung
der Wählerabteilungen für die Wahlen zur Gemeindevertretung nach dem
Maßstabe der direkten Steuern stattfindet, werden die Wähler nach Maß-
gabe der von ihnen zu entrichtenden Staats-, Gemeinde-, Kreis-, Bezirks-
und Provinzialsteuern in drei Abteilungen geteilt und zwar in der Art,
daß auf jede Abteilung ein Drittteil der Gesamtsumme der Steuerbeträge
aller Wähler fällt. Für jede nicht zur Staatseinkommensteuer veranlagte
Person ist an Stelle dieser Steuer ein Betrag von drei Mark zum Zusatz
zu bringen.
§ 2. Stimmberechtigte, deren für die Bildung von Wählerab-
teilungen maßgebender Steuerbetrag den im Durchschnitt auf einen Wähler
in der Gemeinde entfallenden Steuerbetrag übersteigt, sind stets der zweiten
oder ersten Abteilung zuzuweisen, im übrigen wählen Personen, die vom
Staate zu einer Steuer nicht veranlagt sind, stets in der dritten Abteilung.
Erhöht oder verringert sich infolge dessen die auf die erste und zweite Ab-
teilung entfallende Steuersumme, so findet die Bildung dieser Abteilungen
in der Art statt, daß von jener Summe auf die erste und zweite Hälfte
entfällt. Eine höhere Abteilung darf niemals mehr Wähler zählen als
eine niedere.
§ 3. Steuern, die für Grundbesitz oder Gewerbebetrieb in einer
anderen Gemeinde entrichtet werden, sowie die Steuern für die im Umher-
ziehen betriebenen Gewerbe sind bei Bildung der Abteilungen nicht einzu-
rechnen. Wo direkte Gemeindesteuern nicht erhoben werden, tritt an deren
Stelle die vom Staate veranlagte Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer.
§ 4. Der § 5 des Gesetzes vom 29. Juni 1893 über das Gemeinde-
wahlrecht bleibt im übrigen unberührt.