Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

106          Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 16.)
 
tarife wesentliche Störungen in den Absatzverhältnissen auszugleichen. Die 
Durchführung der beabsichtigten großen Landesmelioration wird dadurch 
wesentlich gerechtfertigt und erleichtert, daß die zunächst beteiligten Provinzen 
und andere kommunale Verbände dieselbe in ausgiebigster Weise und in 
zweckmäßiger Form unterstützen. Die Staatsregierung gibt der sicheren 
Erwartung Ausdruck, daß der Landtag der Monarchie seine Genehmigung 
einem Unternehmen nicht versagen wird, dessen Ausführung von beiden 
Häusern des Landtages der Staatsregierung im Gesetz vom 9. Juli 1886 
zur Pflicht gemacht und von ihr als eine der wichtigsten ihr obliegenden 
wirtschaftlichen und politischen Aufgaben betrachtet wird. Die Staats- 
regierung muß aber entscheidenden Wert darauf legen, daß die Vorlage noch 
in dieser Tagung des Landtages zur Erledigung kommt. 
             Abg. v. Heeremann (Z.): Im Namen meiner politischen Freunde 
und im Auftrage derselben habe ich folgendes zu erklären: Wir sind zur 
Zeit noch nicht in der Lage, zu dem vorliegenden Gesetzentwurfe Stellung 
zu nehmen. Während die kgl. Staatsregierung noch vor einiger Zeit gegen 
Kompensationen für solche Landesteile, welche sich durch den Kanal in ihren 
Interessen gefährdet sehen, grundsätzlich ablehnend verhielt, so hat sie neuer- 
dings ihre Bereitwilligkeit zu erkennen gegeben, für Schlesien und das 
Lippethal solche eintreten zu lassen. Ob diese Zugeständnisse für Schlesien 
genügen, darüber sind die Vertreter dieser Provinz einstweilen geteilter 
Meinung und sie wünschen, erst mit den Körperschaften zu beraten, die sie 
hieher gesandt haben. Was die Lippe betrifft, so läßt sich zur Zeit nicht 
übersehen, ob die zu stellenden Bedingungen der Provinz Westfalen es er- 
möglichen, neben den finanziellen Garantien für das geplante Unternehmen 
die Kanalisierung dieses Flusses zu bewerkstelligen. Zudem kommen noch 
eine Reihe anderer Bezirke in Betracht, welche sich durch den geplanten 
Kanal in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen gefährdet erachten. Es er- 
scheint uns, daß zur Zeit die Frage nicht hinreichend aufgeklärt ist, inwie- 
weit solche Befürchtungen berechtigt sind, und inwieweit durch geeignete 
Maßnahmen, die später zu ergreifen wären, diese Befürchtungen beseitigt 
werden. Zur Klärung und Entscheidung dieser Frage wird es noch einer 
sorgfältigen Prüfung bedürfen, weshalb wir eine Hinausschiebung der Ver- 
handlungen über den vorliegenden Gesetzentwurf und dessen Zurückweisung 
an eine Kommission erbitten möchten. Sollte dieser Bitte nicht ent- 
sprochen werden, so würden wir zu unserem Bedauern nicht in der Lage 
sein, eine Entscheidung zu treffen (Hört, hört!) und uns gezwungen 
sehen, uns der Abstimmung zu enthalten. (Große Unruhe und Beifall im 
Zentrum.) 
              Abg. v. Stengel (fk.) und Graf Limburg-Stirum erklären sich 
gegen die Zurückverweisung. Die Regierung werde auch in einer neuen 
Kommissionsberatung nichts Neues über Kompensationen für die östlichen 
Landesteile beibringen können. Abg. Sattler (ul.), Rickert (fr. Vg.) 
und Richter (fr. Vp.) sind für die Rückverweisung, um die Frage nicht 
von der Tagesordnung verschwinden zu lassen. - Die Rückverweisung wird 
mit 240 gegen 160 Stimmen beschlossen. 
              16. Juni. (Gotha.) Im Landtag erklärt Staatsrat Schmidt 
über die Thronfolgefrage. 
              In der Thronfolgefrage hat Herzog Alfred den Staatsminister be- 
auftragt, persönlich in England mit den Beteiligten in Verhandlungen zu 
treten und dort eine schleunige Erledigung der hervorgetretenen Schwierig- 
keiten und Bedenken zu betreiben. Der Staatsminister wird sich in den 
nächsten Tagen diesem Auftrag unterziehen und nach seiner Rückkehr vor-
	        
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