Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

               Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 17. 18.) 107
 
aussichtlich in der Lage sein, umfängliche Mitteilungen zu machen. Die 
gegenwärtige, noch unentschiedene Sachlage verbietet solche Mitteilungen in 
öffentlicher Sitzung. 
             17. Juni. Der Reichstag genehmigt die Verlängerung des 
Handelsprovisoriums mit England bis zum 30. Juli 1900 einstimmig. 
Juni. Durch die Presse geht die Nachricht, daß Deutsch- 
land die Bären-Insel annektiert habe. Die „Nordd. Allg. Ztg." 
dementiert das Gerücht (23. Juni). 
            18. Juni. (Brunsbüttel.) Der Kaiser empfängt eine 
Abordnung ehemaliger hannoverscher Offiziere und erwidert auf 
eine Ansprache. 
            „Die von Ihnen Mir gewidmete sinnige Gabe habe ich mit großem 
Vergnügen entgegengenommen und danke den hier anwesenden Herren, die 
im Namen ihrer Kameraden sie Mir dargeboten haben, um so mehr dafür, 
als Sie eine weite Reise gemacht haben, deren es bedurfte, damit die 
Uebergabe an dem heutigen von Ihnen gewünschten Tage stattfinden konnte. 
Es ist ein hochbedeutsamer, für die Geschichte unseres Vaterlandes und seine 
politische Entwicklung sehr wichtiger Tag. Auf dem Schlachtfelde von 
Waterloo wurde heute vor vierundachtzig Jahren die korsische Weltherr- 
schaft endgültig zertrümmert, und damit war die Grundlage für die Einigung 
Deutschlands geschaffen, kaum geahnt freilich von den Mithandelnden und 
von den Zeitgenossen, aber nach und nach erstarkt und gewachsen und im 
Jahre 1870 ausgestaltet zu einem herrlichen Bauwerke. Dabei hat die 
Traditon mächtig mitgewirkt und geholfen. Sie zu pflegen und zu fördern 
war eins der Hauptziele, welche Ich am 24. Januar verfolgte, als Ich 
die Bestimmungen traf, an die wir heute erinnert werden. Rascher als 
Ich gedacht hatte und über Meine Erwartungen hinaus sind Meine Hoff- 
nungen in Erfüllung gegangen. Es liegen Mir aus den Garnisonen in 
Ihrer Heimat Meldungen vor, die beweisen, daß Mein Gedanke, die glor- 
reichen Ueberlieferungen Ihrer alten Armee in den Truppenteilen, die jetzt 
hannoversche heißen, wieder aufleben zu lassen, in weiten Kreisen der Be- 
völkerung Wurzel gefaßt hat und verstanden wird; die Beteiligung von 
Unteroffizieren und Soldaten sowohl wie von Offizieren und Kriegerver- 
einen an den Festfeiern, die heute bei jenen Truppenteilen stattfinden, ist 
eine lebhafte und sehr zahlreiche; sie wird dazu beitragen, die Alten mit 
den Jungen zu vereinigen, die Tradition zu erhalten und fortzupflanzen. 
In solcher Gesinnung und Empfindung bewährt sich aufs neue die Tüchtig- 
keit des deutschen Volkes, das festhält an der Ueberlieferung aus der Väter 
Zeit und den Spuren der Altvorderen folgt. Solche Sinnesart bietet Mir 
eine Bürgschaft für die Zukunft und leistet Gewähr dafür, daß der Geist 
Ihrer alten Armee und ihres vorzüglichen Offizierkorps fortleben wird in 
deren Nachfolgern, daß das Vaterland für die Zukunft auf sie zählen 
kann, wie es bei Waterloo und in den Kämpfen von 1870 und 1871 mit 
althannoverscher soldatischer Tüchtigkeit und Tapferkeit gerechnet hat. 
              18. Juni. (Brunsbüttel.) Der Kaiser nimmt an einer 
Segelregatta teil und erwidert auf die Ansprache des Hamburger 
Bürgermeisters Mönckeberg: 
             „In zündender Rede, mit schwungvollen Worten hat Se. Magni- 
fizenz, Ihr verehrter Herr Bürgermeister, soeben im Namen aller Ver-
	        
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