Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

4                     Das Deutsche Reich und seine  einzelnen Glieder       (Januar 10./11.)
 
ordentlich schwierige, sogar eine unzureichende geworden, und daß damit 
zusammenhängend eine beunruhigende, die Volksernährung beeinträchtigende 
Steigerung der Fleischpreise eingetreten sei. Auch die amtlichen Notierungen 
ließen ein gewisses Steigen der Viehpreise und der Fleischpreise erkennen, 
wenn auch nicht für alle Viehsorten und nicht für alle Fleischsorten. Diese 
Verhältnisse veranlaßten den Herrn Reichskanzler, sich mit dem preußischen 
Herrn landwirtschaftlichen Minister in Verbindung zu setzen wegen An— 
stellung von Umfragen, inwieweit diese, in den betreffenden Petitionen nieder- 
gelegten Behauptungen richtig seien. Der Herr Reichskanzler hat demnächst 
an die verbündeten Regierungen das Ersuchen gerichtet, solche Umfragen 
nach denselben Grundsätzen anzustellen, wie solche seitens des Herrn preu- 
ßischen landwirtschaftlichen Ministers an die Provinzialbehörden gerichtet 
sind. Es erstreckten sich diese Umfragen auf die Kleinhandelspreise für 
Fleisch und auf die Marktpreise für lebendes Vieh, außerdem aber noch 
auf eine Reihe anderer zur Sache wesentlicher Punkte. Ich bin genötigt, 
und ich bitte den Herrn Präsidenten um Erlaubnis dazu, bei meinen wei- 
teren Ausführungen längere Stellen wörtlich zu verlesen, um Ihnen die 
Erklärungen, die seitens der größeren Regierungen eingegangen sind, mög- 
lichst wortgetreu hier wiederzugeben. Die Umfrage, die also seitens des 
Herrn Reichskanzlers an die Bundesregierungen gerichtet ist, hatte folgen- 
den Wortlaut: Haben in den letzten Jahren, abgesehen von der natürlichen 
Vermehrung, Verschiebungen der Bevölkerung stattgefunden, Bildung neuer 
Industriezentren u. s. w. und ist hierdurch der absolute Fleischbedarf ge- 
stiegen:? Hat die Konsumkraft der Bevölkerung zugenommen und ist hier- 
durch eine stärkere Nachfrage nach Fleischnahrung eingetreten, das heißt: 
der relative Fleischbedarf gestiegen? Hat die Erhöhung der Fleischpreise 
eine Verminderung des Fleischverbrauchs zur Folge gehabt! Ferner: Ist 
die Viehzucht in Abnahme oder Zunahme begriffen? Hat insbesondere eine 
Vermehrung der Schweinezucht und Schweinehaltung stattgefunden, und hat 
sich die Qualität der Schweine verändert? Welche Aussichten bestehen für 
die nächste Zukunft? Genügt die eigene Vieherzeugung zur Versorgung 
mit Fleischnahrung, oder muß eine regelmäßige Zufuhr von außen erfolgen? 
Hat diese Zufuhr ab= oder zugenommen? Woher kommt im wesentlichen 
die Zufuhr, wohin geht eventuell die Ausfuhr? Endlich: Wie hat sich 
Angebot und Nachfrage auf den Viehmärkten gestaltet? Liegen Anzeichen 
dafür vor, daß in nächster Zeit ein stärkeres Angebot von Vieh, nament- 
lich von Schweinen, stattfinden wird? Ist der Absatz von Vieh und die 
Fleischversorgung durch besondere Machenschaften, wie Händlerringe und 
dergleichen, beeinflußt ? Meine Herren, die Beantwortung dieser Fragen 
ist zum Teil erst in den letzten Tagen eingegangen, meistenteils unterstützt 
mit einem sehr reichhaltigen statistischen Material, welches einer eingehenden 
Prüfung bedürfen würde, der Herr Reichskanzler ist deshalb heute nur in 
der Lage, Ihnen den allgemeinen Eindruck wiederzugeben, welchen er aus 
diesen Aeußerungen der verbündeten Regierungen empfangen hat. Was 
zunächst die Preise für Rind und Rindfleisch betrifft, so sind dieselben in 
den letzten Jahren in einzelnen Gegenden allerdings etwas gestiegen, in 
anderen Gegenden dagegen stabil geblieben oder sogar gefallen. Die 
Schwankungen in den Preisen waren unerheblich. (Hört! hört! und Sehr 
richtig" rechts.) Die Regierungen sind deshalb der Ansicht, daß die Preise 
für Rind und Rindfleisch keineswegs ungewöhnlich hoch sind, vielmehr sich 
im allgemeinen auf dem Niveau früherer Jahre halten. (Sehr richtig! 
rechts.) So sind z. B. die Preise für Rinder in Berlin, Breslau, München, 
Straßburg im November 1898 niedriger als in den Jahren 1894 und 95. 
(Hört, hört! rechts.) Der Durchschnittspreis in Preußen für das Kilogramm
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.