Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

122 Nrs Neutsche Reich und seine einjeluen Slieder. (August 8. 11.) 
wurden. Wer jetzt die Ergebnisse der Konferenz im ganzen überschaut, muß 
anerkennen, daß schon die Ausdehnung der Genfer Konvention auf den 
Seekrieg und die detaillierte Festsetzung der Kriegsgesetze und der Kriegs- 
gebräuche allein einen wichtigen Fortschritt der Zivilisation bedeutet, welcher 
der Konferenz einen ehrenvollen Platz in der Geschichte sichert. Auch die 
Schiedsgerichts-Konvention wird bei besonders maßvoller Anwendung in 
manchen Fällen Gutes stiften können. Wenn die Wirkung auch bei großen 
Lebensfragen der Bölker in der Regel versagen wird, so wird es doch eine 
wichtige, verantwortungsvolle Aufgabe der Regierungen sein, darüber zu 
wachen, daß die über Vermittlung und Arbitrage neugeschaffenen Bestim- 
mungen keineswegs durch mißbräuchliche Anwendung geradezu Gefahren 
heraufbeschwören. Diese Beschlüsse der Haager Konferenz zur Einschränkung 
und Humanifierung des Kriegs sind ein wertvolles Vermächtnis des scheiden- 
den Jahrhunderts an das kommende, ein Vermächtnis, das dem edlen 
Schöpfer des Konferenzgedankens, dem Kaiser Nikolaus, zum bleibenden 
Ruhm gereichen wird! 
8. August. Der Botschafter in Paris, Graf Münster, wird 
in den Fürstenstand erhoben. 
11. August. (Dortmund.) Der Kaiser nimmt an der Feier 
zur Eröffnung des Dortmund--Ems-Kanals teil. Auf die Ansprache 
des Oberbürgermeisters Schmieding erwidert er: 
„Mein verehrter Herr Oberbürgermeister! Ich spreche Ihnen Meinen 
herzlichen Dank aus zunächst für die Einladung, Ihre Stadt zu besuchen 
und sodann für den Empfang und die Ausschmückung derselben und ihrer 
Vororte. Ich wäre gerne schon früher gekommen, wenn Mich nicht die 
Sorge wegen des Befindens Meiner Frau zuerst zu ihr geführt hätte, und 
erst, als Jch Mich überzeugte, daß Ich sie ruhig verlassen kann, ohne in 
Besorgnis zu schweben, habe Ich Mich entschließen können, Ihre Stadt zu 
besuchen. Das Werk, das Ich soeben besichtigt habe, ermöglicht hoffentlich 
der Stadt Dortmund, wieder ihren Flug über die See zu nehmen, wie sie 
ihn einstmals genommen hat. Nur möchte Ich glauben, daß der Kanal, 
wie er augenblicklich anzusehen ist, nur ein Teilwerk ist. (Lebhaftes Bravo.) 
Er ist aufzufassen in Verbindung mit dem großen Mittellandkanal, den zu 
bauen und zur Durchführung zu bringen, Meine Regierung und Ich fest 
und unerschütterlich entschlossen sind. (Lebhaftes Bravo.) Es ist selbstver- 
ständlich schwierig, solche neue große Gesichtspunkte selbst in die Bevölke- 
rung hineinzubringen und das Verständnis dafür zu erwecken. Ich glaube 
aber, daß mit der Zeit auch die Ueberzeugung sich immer mehr Bahn 
brechen wird, daß der Ausbau unfrer großen Wasserstraßen absolut not- 
wendig ist und für beide Teile, für die Industrie und die Landwirtschaft, 
segensreich sein wird. (Bravol) Der Anstoß zum Bau der Wasserstraßen 
ist in weiten Jahrhunderten zurück zu suchen; zwei Meiner größten Vor- 
fahren, der Große Kurfürst und Friedrich der Große, sind die bedeutendsten 
Wasserbauer gewesen. Der Große Kurfürst hat weitausgreifend seinen Blick 
auf Emden gerichtet und schon damals die Absicht gehabt, die Stadt durch 
einen Wasserweg mit dem märkischen Lande zu verbinden und damit zur 
Hebung derselben beizutragen. Ich bin der festen Ueberzeugung, daß es 
auch dieser Stadt gelingen wird, in Verbindung mit Dortmund und 
weiterhin mit dem Hinterlande, welches sich anschließt, wieder einer guten 
großen Zukunft entgegenzugehen. Ich weiß auch, daß in den großen Hansa- 
städten der Nordsee bereits Bewegungen im Gange sind, die, wenn sie zur 
Ausführung kommen sollten, für den Dortmund-Emder Kanal die größte
	        
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