Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

138 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (September 6. 7.) 
das Deutsche Reich zuteil geworden ist. Wohin man blickt, frohes Treiben, 
eifrige und fleißige Arbeit, vorwärtsschreitende Entwicklung und weit- 
gehender Aufschwung. Nun, meine Herren, Ich spreche Ihnen Meine 
Glückwünsche zu dem Zustande aus, in dem Ich die Reichslande getroffen 
habe. Ich ehre das Gefühl der alten Generationen, denen es schwer ge- 
wesen ist, sich in die neuen Verhältnisse zu fügen, und bin dankbar und 
gerührt bei dem Jubel der jüngeren Generation, die aufgewachsen ist unter 
dem Banner des Reiches. Vor allem aber auch möchte Ich den edlen 
Herren der Kirche, die großen Einfluß auf unsere Bevölkerung haben, ans 
Herz legen, daß sie mit ihrer ganzen Arbeit und mit Einsetzung ihrer 
ganzen Persönlichkeit dafür sorgen, daß die Achtung vor der Krone und 
das Vertrauen zur Regierung immer fester und fester werde; denn in den 
heutigen bewegten Zeiten, wo der Geist des Unglaubens durch die Lande 
zieht, ist der einzige Halt und der alleinige Schutz, den die Kirche hat, 
die kaiserliche Hand und das Wappenschild des Deutschen Reichs, und Ich 
denke, wenn Ich in den Herzen der Straßburger richtig gelesen habe, daß 
der jubelnde Empfang, der Mir heute zuteil geworden und auch gestern 
beim Einmarsch von der Parade, aus dem Verständnis mitentsprungen ist, 
welches der herrliche Anblick kampfbewehrter Söhne des Landes bei den 
Bewohnern der alten schönen Stadt hervorgerufen, wodurch von neuem das 
Gefühl in ihnen bestärkt worden ist: „Sub umbra alarum“", „unter des 
Deutschen Reiches Adler“ ist das Reichsland gesichert gegen alles, was da 
kommen mag! Deshalb erhebe Ich Mein Glas und trinke auf das Wohl 
der Reichslande, in der Hoffnung, daß ihnen noch weiter ein tiefer Frieden 
beschieden sei zur ruhigen schwunghaften Fortentwicklung! Was Ich dazu 
thun kann, Mein Land in Frieden zu erhalten und zu regieren, das soll 
geschehen! Daß Sie aber davon Vorteil haben sollen, dafür lassen Sie 
mich sorgen! Elsaß-Lothringen lebe hoch! hoch! hoch! 
6. September. (Straßburg.) Der Kaiser beauftragt den 
Statthalter von Elsaß-Lothringen, der Bevölkerung das folgende 
Dankschreiben zur Kenntnis zu bringen: 
„Der festliche Empfang, welcher Mir bei Meiner jetzigen Anwesen- 
heit im Elsaß bereitet worden ist, ließ eine so weitgehende patriotische Be- 
teiligung aller Schichten der Bevölkerung erkennen, daß Ich hiedurch auf 
das angenehmste berührt worden bin und nur lebhaft bedauere, daß die 
Kaiserin, Meine Gemahlin, nicht an Meiner aufrichtigen herzlichen Freude 
teilnehmen konnte. Durch mannigfache zahlreiche Aufmerksamkeiten sind 
Mir die beredten Beweise treuer Ergebenheit und zuversichtlichen Vertrauens 
kundgegeben worden. Ich erblicke in dieser Meinem Herzen wahrhaft wohl- 
thuenden Gesinnung eine hoffnungsvolle Bürgschaft für die weitere gedeih- 
liche Entwicklung des schönen Reichslandes. Mit solchen Empfindungen 
scheiden zu können, ist ein erhebendes Gefühl. Mir ist es daher ein auf- 
richtig empfundenes Bedürfnis, dies öffentlich mit Meinem herzlichen, 
warmen Dank auszusprechen. Zu Meinem lebhaften Bedauern muß Ich 
heute schon das Elsaß verlassen, unter dessen Bevölkerung Ich Mich stets 
so besonders wohl fühle. Ich scheide mit den aufrichtigsten Wünschen für 
ferneres Gedeihen und Wohlergehen. Ich ersuche Sie, vorstehendes zur 
allgemeinen Kenntnis zu bringen. Straßburg, den 6. Sept. 1899. (gez.) 
Wilhelm I. R.“ 
7. September. (Stuttgart.) Bei der Galatafel wechseln 
der König von Württemberg und der Kaiser folgende Trinksprüche:
	        
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