Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

154 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Okt. 19.—21./24.) 
die sich um die Förderung der technischen Wissenschaften hervorragende Ver- 
dienste erworben haben, nach Maßgabe der in der Promotions-Ordnung 
festzusetzenden Bedingungen zu verleihen.“ 
Neues Palais, den 11. Oktober 1899. 
gez. Wilhelm R. 
ggez. Studt. 
Ein fernerer Erlaß bestimmt: 
„Auf den Bericht vom 24. August d. J. will Ich dem Rektor der 
technischen Hochschule zu Berlin für seine amtlichen Beziehungen den Titel 
„Magnificenz beilegen.“ 
Neues Palais, den 11. Oktober 1899. 
gez. Wilhelm R. 
19. Oktober. Die Bayerische Abgeordnetenkammer beschließt, 
dem Amortisationsfonds für die Bodenzinse 12 Millionen Mark 
zuzuführen anstatt 9, wie die Regierung beantragt hatte. 
21. Oktober. (Berlin.) Schluß eines großen Spieler- 
prozesses („Klub der Harmlosen"), in dem einige jüngere Verwal- 
tungsbeamte des gewerbsmäßigen Glücksspiels angeklagt waren. 
Sämtliche Angeklagte werden freigesprochen, aber von der öffent- 
lichen Meinung scharf angegriffen. Der Hauptangeklagte, Referendar 
v. Kayser, wird disziplinarisch seiner Stellung entsetzt. 
21./24. Oktober. (Bayerischer Landtag.) Abgeordneten- 
kammer. Abg. Örtel bringt folgende Interpellation ein: Aus 
welchen Gründen hat die Staatsregierung im Bundesrate dem 
„Entwurfe eines Gesetzes zum Schutze des gewerblichen Arbeits- 
verhältnisses“ ihre Zustimmung erteilt? 
Abg. Oertel (Soz.): Der Entwurf sei ein Angriff auf die Koalitions- 
freiheit. Die bestehenden Strafbestimmungen genügten. Minister Frhr. 
v. Feilitzsch gibt folgende Erklärung ab: 
„1. Nach Anschauung der kgl. Staatsregierung wird durch den 
Gesetzentwurf das durch den § 152 der Reichsgewerbeordnung gewähr- 
leistete Koalitionsrecht in keiner Weise beschränkt. 
2. Bei der Prüfung des zur Begründung des Gesetzentwurfs zur 
Verfügung gestellten Materials konnte sich die kgl. Staatsregierung nicht 
verhehlen, daß die Bestimmungen des § 153 der Reichsgewerbeordnung bei 
den Versuchen, die Arbeitswilligen gegen Ausschreitungen bei Streiks zu 
schützen, mehrfach nicht ausreichten und daß eine Ergänzung dieser Vor- 
schriften veranlaßt und sogar im eigensten Interesse der Arbeiterschaft ge- 
legen sei. Aus diesen Gründen glaubte die kgl. Staatsregierung den Vor- 
schlägen des Gesetzentwurfs gegenüber sich nicht ablehnend verhalten zu 
sollen."“ 
Der Minister verliest eine Anzahl von Berichten über Streikterro- 
rismus. Es gibt Streiks, über deren guten Ausgang man sich freut, es 
gibt aber auch welche, die frivol sind und Terrorismus in erschreckender 
Weise üben. Das Unternehmertum wird in Bayern nicht gehätschelt. Man 
steht Arbeitgebern und -nehmern objektiv gegegenüber; ich glaube, daß das 
Wohl der Arbeitgeber mit dem der Arbeiter im engsten Zusammen- 
hang stehe. Ganz falsch ist die Meinung, die Regierung schaue nach
	        
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