156 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 28.)
mit 11 585 Stimmen gewählt. Geß erhält 11 021 Stimmen
(7. November).
28. Oktober. (Berlin.) Die „Norddeutsche Allgemeine Zei-
tung“ bringt folgenden offiziösen Artikel über die Verstärkung der
deutschen Flotte:
„Wenn einer allgemeinen Verstärkung der Marine nähergetreten
werden muß, so ergibt sich das Ziel und die Richtung der Verstärkung aus
dem Flottengesetze. Nach letzterem zerfällt die Marine in zwei Teile, die
einheimische Schlachtflotte und die Auslandsschiffe, erstere für den europäischen
Krieg, letztere für die Vertretung der überseeischen Interessen an Ort und
Stelle. Die Verstärkung der Marine würde sich auf beide Gebiete erstrecken
müssen. Das Ziel für die Vermehrung der Schlachtflotte ergibt sich aus
dem organisatorischen Aufbau derselben. Es muß dem vorhandenen Doppel-
geschwader, bestehend aus dem ersten und zweiten Geschwader, allmählich
ein zweites Doppelgeschwader, bestehend aus einem dritten und vierten Ge-
schwader, hinzugefügt werden. Um schnellmöglichst zu militärischen Lei-
stungen zu kommen und das obige Ziel finanziell durchführbar zu machen,
ist zunächst nur der Bau eines dritten Geschwaders, bestehend aus zehn
Linienschiffen mit ihrem Zubehör an Kreuzern und Torpedobooten, in Aussicht
zu nehmen und als viertes Geschwader das vorhandene Küsten-Panzerschiff-
geschwader zu verwenden. Erst wenn die Küstenpanzerschiffe in den Jahren
1912—1917 ersatzpflichtig werden, dürfte der Ersatz durch vollwertige Linien-
schiffe zu erfolgen haben. Will man diese Wandlung durchführen, so scheint
es zweckdienlich, sobald durch den Etat von 1900 der Vollbestand des Flotten-
gesetzes bewilligt ist und die Schiffe im Bau sind, dasselbe Bautempo wie
in den ersten drei Jahren des Flottengesetzes beizubehalten, nicht aber die
Zahl der großen Schiffe, welche jährlich auf Stapel gesetzt werden, zunächst
erheblich herabgehen zu lassen und sodann einige Jahre später auf das
Doppelte und Dreifache zu steigern. Ein derartiges Vorgehen beeinträchtigt
die Finanzen, erschwert die ruhige, gleichmäßige Entwicklung der Staats-
und Privatwerften und stellt auch an die Marine erheblich größere Anfor-
derungen als die planmäßige und stetige Weiterentwicklung. In Zahlen
umgesetzt, stellen sich die Verhältnisse wie folgt: Nach dem Flottengesetze
werden in den ersten drei Jahren (1898, 1899, 1900) neue große Schiffe
auf Stapel gesetzt: die Linienschiffe „Kaiser Karl der Große", B,. C, D,
E, F und G, sowie die großen Kreuzer A und B. Für die letzten drei
Jahre des Flottengesetzes sind planmäßig fünf große Schiffe vorgesehen:
Ersatzlinienschiffe „Bayern“ und „Baden“, sowie Ersatz der großen Kreuzer
„Kaiser", „Deutschland“ und „König Wilhelm“. Da diese Schiffe indes
infolge der Steigerung der Arbeitslöhne und der Materialpreise, sowie
einiger infolge der Erfahrungen des spanisch amerikanischen Krieges not-
wendig gewordenen Aenderungen teurer werden, müssen, um den Limit
innezuhalten, mehrere Ersatzbauten hinausgeschoben werden. In der zweiten
Hälfte des Sexennats würden demnach statt fünf großer Schiffe nur zwei
bis drei auf Stapel gesetzt werden können. In den drei Jahren nach dem
Sexennat müssen gemäß § 2 des Flottengesetzes ersetzt werden: 1. die in-
folge der Limitierung in die letzte Hälfte des Flottengesetzes zurückgeschobenen
Schiffe; 2. die Linienschiffe „Sachsen“, „Württemberg“ und „Oldenburg“.
Auf die Jahre 1901 bis 1906 kommen mithin 8 große Schiffe oder jährlich
13, gegenüber jährlich 3 Schiffen in der Zeit von 1898 bis 1900. In der
Periode 1907 bis 1911 ist nur ein großes Schiff ersatzpflichtig: die „Kaiserin
Augusta“. Von 1912 bis 1917 werden 18 große Schiffe ersatzpflichtig,