Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 28.) 157 
oder „Brandenburg“-Klasse, 8 der „Siegfried“-Klasse und 6 große Kreuzer. 
Dazu kommt noch die fehlende Materialreserve für die Schiffe der „Bran- 
-denburg“ und „Siegfried“-Klassen mit 3 großen Schiffen. Diese Periode 
ist mithin mit 21 großen Schiffen oder 3½ großen Schiffen jährlich belegt. 
Hält man den Bau des dritten Geschwaders für notwendig, will man denselben 
aber erst in Angriff nehmen, nachdem das Flottengesetz planmäßig durch- 
geführt ist, so kommen hiefür nur die Jahre 1904 bis 1911 in Betracht, 
da die Periode von 1912 bis 1917 schon durch die fälligen Ersatzbauten 
mit 3½ großen Schiffen im Jahr belastet ist. Bis 1911 werden aber auch 
die großen Auslandkreuzer aller Voraussicht nach erhebliche Verstärkungen 
erfahren müssen. Das Maß ist diskutabel, wird aber mit sechs Schiffen, 
einschließlich der hier erforderlichen starken Materialreserve für 12 Jahre, 
kaum zu niedrig gegriffen sein. Auf die Jahre 1904 bis 1911 entfallen 
mithin: 1. 6 Ersatzbauten, nämlich 2 restierende aus dem Sexennat, außer- 
dem für „Sachsen“, „Württemberg“", „Oldenburg“ und „Kaiserin Augusta“; 
2. 18 Neubauten, nämlich ein drittes Geschwader, einschließlich eines Flotten- 
flaggschiffes und der Materialreserve, also im ganzen 10 Linienschiffe und 
die beiden zu diesem Geschwader gehörigen Kreuzer und 6 große Ausland- 
kreuzer. Zusammen 24 Schiffe werden somit auf 8 Jahre verteilt. Vor 
uns entrollt sich mithin folgendes Bild. Es müßten jährlich an großen 
Schiffen in Bau gegeben werden: erste Periode 1901— 1903 jährlich 1 Schiff, 
zweite Periode 1904— 1911 jährlich 3 Schiffe, davon Neubauten 18 Schiffe, 
Ersatzbauten 6 Schiffe; dritte Periode 1912—1917 3½ Schiffe, davon Neu- 
bauten 3 Schiffe, Ersatzbauten 18 Schiffe. Für 17 Jahre (1901— 1917) 
würde es sich nach vorstehendem um die Stapellegung von 48 oder jährlich 
2.8 große Schiffe handeln, gegenüber der Stapellegung von 3 großen Schiffen 
während der ersten drei Jahre des Flottengesetzes. Wer diese Verstärkung 
unsrer Marine bis zum Jahre 1917 in dem angegebenen Umfang für er- 
forderlich hält, wird sich der ernsten Erwägung nicht entziehen können, ob 
es nicht richtig ist, nach dem Jahre 1900 das bisherige Bautempo beizu- 
behalten und jährlich auf Stapel zu setzen 3 große Schiffe (Linienschiffe 
oder große Kreuzer), 3 kleine Schiffe (kleine Kreuzer, Kanonenboote oder 
Spezialschiffe) und eine Torpedobootdivision. Ein derartiges Bauprogramm 
erscheint wohl ohne neue Steuern durchführbar. Die jährliche Schiffsbau- 
quote würde von durchschnittlich 60 auf durchschnittlich etwa 85 Mill. Mark 
steigen, die kleineren sonstigen einmaligen Ausgaben von 9 auf 12 Mill. Mark. 
Für die Steigerung der dauernden Ausgaben würde die bisherige Steigerung 
von jährlich 5 Mill. Mark beim allmählichen Ausbau der Marine nur vom 
ersten Jahr voll in Anspruch genommen werden. Sobald das dritte Ge- 
schwader beschafft ist und es sich dann zur Bildung des vierten Geschwaders 
nur um den Ersatz der „Siegfried“- Klasse handelt, ist eine erheblich gerin- 
gere Steigerung ausreichend. Bei der Steigerung der einmaligen Ausgaben 
würde nach Maßgabe der bisherigen Grundsätze ein sehr erheblicher Teil 
durch eine Anleihe gedeckt werden. Die Frage eines derartigen gleichmäßigen 
Fortschreitens ist von höchster Bedeutung für die maritime Leistungsfähigkeit 
des Deutschen Reichs. Halten wir den Limit des Flottengesetzes inne und 
legen wir 1901—1903 im ganzen nur 3 große Schiffe auf Stapel, so sind 
wir in den folgenden Jahren militärisch um 6 große Schiffe schwächer. 
Dieser Nachteil würde sich erst ganz allmählich wieder ausgleichen. Die 
Frage, ob die planmäßige Verstärkung der Marine in dem angegebenen 
Umfang innerhalb der nächsten 16 Jahre erforderlich ist, wird zunächst zur 
Entscheidung gebracht werden müssen. Würde die Frage von den gesetzgebenden 
Faktoren des Deutschen Reichs bejaht, so könnte der Limitparagraph des Flotten- 
gesetzes kein ausreichendes Hindernis für die weitere Entwicklung der Marine sein.“
	        
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