Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

184 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Dezember 20.—27.) 
und der Agrarpolitik. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ 
erwidert darauf (20. Dezember). 
20. Dezember. (Sachsen.) Finanzlage. 
Bei Beginn der Etatsberatung gibt Prinz Georg als Bericht- 
erstatter namens der Deputation folgende Erklärung ab: 
„Die Deputation ist bei Prüfung des Etats zu der Ueberzeugung 
gekommen, daß das Anwachsen der geforderten Bewilligungen in einem 
ungünstigen Verhältnis steht zu der Erhöhung der Staatseinnahmen, und 
daß, da dieses ungünstige Verhältnis bereits seit mehreren Etatsperioden 
in steigendem Maß zu beobachten ist, bei Beschlußfassung über die Aus- 
gaben besondere Vorsicht geboten erscheint. Die Deputation erhofft 
dabei die Unterstützung der Kammer in dem Bestreben, die Bedürfnisse der 
Staatsverwaltung nicht in steigendem Maß auf die Anleihe zu verweisen 
und so die Verzinsung und Tilgung der notwendigen Summen der Zu- 
kunft zu überlassen, sondern, soweit eine Deckung der Staatsbedürfnisse bei 
sparsamer und vorsichtiger Finanzverwaltung nicht möglich sein sollte, 
durch entsprechende ... Steuererhöhungen auszugleichen und so die 
Finanzen des sächsischen Staates gesund zu erhalten.“ 
Zur Begründung dieser Erklärung wird in der Debatte darauf 
hingewiesen, daß der Etat bei genauer Betrachtung ein Defizit von 
31½ Millionen Mark aufweise. Finanzminister v. Watzdorff stimmt 
der Erklärung der Kommission in der Hauptsache zu. Die Regierung habe 
bereits dem vorigen Landtag ein Steuerreformgesetz vorgelegt, dasselbe sei 
aber abgelehnt. Sie erwarte nun die Initiative der Kammern. Werde 
wieder keine Einigung erzielt, so werde ein — nicht ganz geringfügiger — 
Steuerzuschlag gefordert werden. Darin sei der Minister mit der Depu- 
tation einig, daß in der bisherigen Weise nicht weiter gewirtschaftet werden 
könne. Die Kammer pflichtet der Kommissionserklärung gleichfalls bei. 
24. Dezember. (Preußen.) Zum Oberpräsidenten von 
Pommern an Stelle des zurückgetretenen Staatsministers v. Putt- 
kamer wird der frühere Reichsschatzsekretär v. Maltzan-Gültz ernannt. 
27. Dezember. (Berlin.) Veröffentlichung des angeblichen 
Inhalts des geheimen deutsch-englischen Vertrages. 
Der „Berl. Lokal-Anz.“ teilt mit, jener Vertrag sei abgeschlossen 
worden, um zu verhindern, daß Frankreich, Rußland oder andere Mächte 
gegen die Besitzergreifung der Delagoa-Bucht durch England Einspruch er- 
heben. Im kommenden Frühjahr werde in Portugal ein gleicher „Aus- 
verkauf" von Kolonien stattfinden, wie Spanien ihn in diesem Jahre in 
Szene gesetzt hat. Die in Betracht kommende afrikanische Besitzung be- 
trage 2 000 000 qkm mit 13 000 000 Einwohnern und solle an England 
fallen, der asiatische Besitz mit 20 000 qkm und einer Million Einwohner 
an Deutschland. Es handelt sich dabei um folgende 5 Gebiete in Indien: 
Timar, Goa, Damao, Macao und Diu. Außer diesen Besitzungen in Asien 
solle in Afrika auch noch das Land nördlich des Sambesi an Deutschland 
abgetreten werden, mit Ausnahme eines Streifens von 3 Meilen, den sich 
Cecil Rhodes für seine Eisenbahn ausbedungen habe. Der von Deutsch- 
land zu zahlende Preis beläuft sich, wie es heißt, auf 25 Millionen Mark. 
— Das offiziöse Wolff'sche Telegraphenbureau und der „Reichs-Anzeiger" 
dementieren diese Nachrichten kategorisch.
	        
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