Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

202 Die Oesterreihish· Angarishe Menarhie. (Dezember 1. 2.) 
Kronen geringer. Das gesamte Nettoerfordernis für die Truppen in 
Bosnien und Herzegowina weist ein Mehrerfordernis von 206000 Kr. auf. 
1. Dezember. (Wien.) Der Kaiser empfängt die Delegationen 
und erwidert auf ihre Ansprachen: 
„Die Beziehungen der Monarchie zu den auswärtigen Mächten 
tragen durchweg einen unverändert freundschaftlichen Charakter und lassen 
auch fortan die Zuversicht auf ungestörte Fortdauer der friedlichen Lage in 
Europa gerechtfertigt erscheinen. Die sicherste Gewähr hiefür erblicke ich 
nach wie vor in dem ungetrübten Bestande des engen und vertrauensvollen 
Verhältnisses zu unseren Verbündeten. Als eine weitere Bürgschaft des 
Friedens darf das allgemeine Zusammenwirken aller zivilisierten Staaten 
auf der diesjährigen Haager Konferenz betrachtet werden, welche der hoch- 
herzigen Initiative des Kaisers von Rußland entsprungen ist und dem 
allgemeinen Friedensbedürfnis der Welt neue und verstärkte Hoffnungen 
zugeführt hat. Mit Befriedigung kann ich darauf hinweisen, daß die 
Pflege durchaus loyaler und freundschaftlicher Beziehungen zum ruffischen 
Reiche im Sinne eines einvernehmlichen Vorgehens gegenüber den auf der 
Balkanhalbinsel auftauchenden Fragen fortfährt, erfreuliche Erfolge zu 
zeitigen. Den in Südafrika eintretenden kriegerischen Komplikationen gegen- 
über sind wir zur Beobachtung strikter Neutralität entschlossen und können 
nur wünschen, daß dieser Konflikt einer baldigen Beendigung entgegengeht.“ 
2. Dezember. (Wien.) Der Minister des Auswärtigen, 
Graf Goluchowski, gibt in der ungarischen Delegation eine Schil- 
derung der politischen und kommerziellen Lage. 
Ueber den Dreibund sagt der Minister: Bei dieser achlage würde 
es beinahe überflüssig scheinen, neuerdings des unerschütterlichen Bestandes 
unserer Allianzverhältnisse unter Betonung der damit für die Monarchie 
und für ganz Enropa verbundenen Vorteile besonders zu gedenken. Der 
Bau, auf welchem das Vertragsverhältnis zu Deutschland und Italien 
ruht, ist zu solid und festgekittet, um eine Erschütterung zu erleiden oder 
befürchten zu lassen. Frei von jeder aggressiven Tendenz und ausschließlich 
darauf bedacht, dem Prinzipe der Stabilität und konservativen Politik 
auf internationalem Gebiete Geltung zu verschaffen, hat der Dreibund sich 
als wahrer Hort des Friedens erwiesen. Diese sichere, seit bald zwei 
Dezennien glänzend bewährte Basis verlassen wollen, wäre geradezu ein 
Verstoß gegen die Vernunft, der keinem Kompaziszenten zugemutet werden 
kann, und zwar umsoweniger, als die durch das enge Zusammengehen der 
drei europäischen Zentralmächte geschaffene Konstellation die Pflege nicht 
nur freundschaftlicher Beziehungen, sondern auch einer intimeren Fühlung 
mit anderen Mächten nicht ausschließt, vielmehr sogar bedingt. Sie bedingt 
sie sowohl wegen ihres eminent friedlichen Charakters, als wegen der 
Eigenartigkeit gewisser Verhältnisse, welche die Interessen aller Beteiligten 
nicht in gleichem Maße tangieren, deren Wahrung demzufolge jedem ein- 
zelnen vorbehalten bleiben muß. 
Nachdem er betont hat, daß Oesterreich-Ungarn und Rußland 
gemeinsam die Ruhe auf dem Balkan zu erhalten strebten, sagt er über 
die Handelspolitik: Die allgemeine Lage bietet also gegenwärtig zu keinerlei 
größeren Besorgnissen Anlaß, und wir können uns mit derselben zufrieden 
geben. Dagegen findet man auf dem Gebiete der Handelspolitik vielfache 
Mängel und Mißstände, die zum ernstesten Nachdenken und zur Suche nach 
Remedur anregen, wenn wir nicht sehr vitale Interessen preisgeben und
	        
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