Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

Grofbritannien und Frland. (November 9.) 225 
Jahren sind unfre Beziehungen und herzlichen Gefühle gegenüber den 
Vettern jenseits des Atlantic beständig an Stärke gewachsen, und obgleich 
weder wir uns in die Angelegenheiten ihres, noch sie sich in die unfres 
Kontinents mischen, können wir stets Sympathie und williges Gehör bei 
jenen erwarten, die sich mit uns in eine große Mission für die Menschheit 
teilen. Doch vielleicht werden Sie denken, daß ich zu zuversichtlich 
bin, wenn ich sage, daß wir auf dem europäischen Kontinente keine 
Feindseligkeiten zu befürchten haben. Er kommt dann auf die Heftigkeit 
des Tones in der auswärtigen Presse und sagt, er glaube nicht, das diese 
Richtung in der Beurteilung der Bevölkerung die auswärtigen Staaten 
beeinflußt habe, und es sei ganz sicher, daß sie deren Regierungen nicht be- 
einflußten. Redner bezeichnet dann als ein erfreuliches Symptom der 
jetzigen Zeit die glücklichen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und 
die Sympathien, mit denen England deren Herantreten an einige große 
Probleme betrachte, welche England selbst auch zu lösen habe. Zugleich 
hege er die größte Sympathie, für Amerikas jüngsten Gegner, die spanische 
Monarchie, und hoffe, daß aus diesem Krieg verborgener Segen erwachse 
und ein reiches Aufblühen der Gesittung und Kultur in diesem alten, 
höchst interessanten Reich erfolgen möge. Ueber Deutschland sagt er: 
Samoa sei nicht um seiner selbst willen so wichtig, sondern darum von 
Bedeutung, weil es ein Gegenstand des Streites war zwischen England 
und einer Nation, deren Wohlwollen wir sehr hoch schätzen. Wir waren 
sehr froh, Mittel zu finden, durch welche wir, ohne im geringsten von den 
Rechten oder Vorteilen Englands abzugehen, im stande waren, den An- 
schauungen und Gefühlen in Deutschland in Bezug auf Samoa entgegen- 
zukommen. Das Uebereinkommen ist ein kompliziertes. Ich würde es 
nicht verständlicher machen, wenn ich auch auf Einzelheiten eingehe. Aber 
im ganzen sei gesagt, daß die Deutschen große Interessen an diesen 
Inseln hatten, weil sie große Summen zu ihrer Erschließung angelegt und 
einen großen Handel gegründet haben, auf den sie stolz waren. Die 
Inseln haben daher für sie großen Wert. Der Redner hob dann den 
Verzicht Deutschlands auf seine Ansprüche auf die Tonga-Inseln hervor, 
wo ein guter Hafen sei. Dies zeige, daß die Beziehungen Englands zu 
Deutschland gegenwärtig solche sind, wie wir sie nur wünschen können. 
Ueber die letzten militärischen Ereignisse sagt er: 
Er weise die Anklage zurück, daß die englische Regierung die 
militärischen Vorbereitungen in ungenügender Weise getroffen habe. Auch 
die Behauptung, daß eine schwache Nation von einer starken angegriffen 
worden, sei nicht richtig, denn es werde bis zum Eintreffen der britischen 
Hauptmacht auf dem Kriegsschauplatz ein Zeitraum von 5 bis 6 Wochen 
vom Beginn des Krieges an gerechnet, vergehen. Es sei richtiger zu sagen: 
Wir sind die schwache Nation, die mit einer stärkeren kämpft. Der Krieg 
war nicht veranlaßt durch irgend eine Forderung Englands, dieses hatte 
seine Forderung sogar zurückgezogen, als das Ultimatum Transvaals gestellt 
wurde. Wenn England seine Truppen früher verstärkt hätte, würde das 
Ultimatum früher gestellt worden sein. Das Uebel datiere zurück bis zu 
dem unseligen Uebereinkommen der Jahre 1881 und 1884, durch welches 
England einem ihm offenbar feindlich gesinnten Gemeinwesen gestattet habe, 
Kriegsvorräte anzuhäufen. Es sei zu erwarten, daß die Engländer bis 
zum Eintreffen von Verstärkungen sich aus ihren Stellungen in Natal 
zurückziehen würden. Er wolle nichts in Bezug auf die Zukunft voraus- 
sagen, aber sein Vertrauen zu den britischen Soldaten sei ungeschwächt. 
Er lehne jede Aeußerung über die Zukunft ab, doch verwahre er sich gegen 
die hier und da aufgetretenen Behauptungen in der festländischen Presse, 
Europäischer Geschichtskalender. XI. 15
	        
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