VI.
Frankreich.
1. Januar. (Paris.) Der Kassationshof beschließt, Dreyfus
über die Geständnisse, die er nach seiner Verurteilung gemacht haben
soll, vernehmen zu lassen.
Anf. Januar. (Paris.) Agitation für und wider die Re-
vision des Dreyfusprozesses.
Es wird eine Liga Patrie française gegründet, der viele Akademiker
angehören. Sie erklärt sich gegen die Revifion des Dreyfusprozesses. Eine
andere neu gegründete Liga Union nationale fordert dagegen Unterwerfung
unter den Spruch des Kassationshofes.
8. Januar. (Paris.) Der Präsident der Zivilkammer des
Kassationshofes, Quesnay de Beaurepaire, nimmt seine Ent-
lassung und agitiert gegen die Revision des Dreyfusprozesses.
10. Januar. Die Kammer wählt Deschanel mit 323 Stim-
men gegen Brisson (187) Stimmen) zum Präsidenten.
12. Januar. Der Senat wählt Loubet zum Präßfidenten.
20. Januar. (Kammer.) Debatte über die Revision des
Dreyfusprozesses und angebliche geheime diplomatische Aktenstücke.
Breton (Sozialist) behauptet, das Kabinet Méline habe von den
Fälschungen Henrys Kenntnis gehabt. Es sei Klarheit über den diplo-
matischen Dossier geboten. Die revifionsfeindliche Presse fahre fort, von
angeblichen Briefen des deutschen Kaisers zu munkeln. Die Regierung habe
die Pflicht, die Angelegenheit zu untersuchen, weil sonst Gefahr bestehe,
daß sofort nach der Revision eine neue Campagne beginne. Minister des
Aeußeren Delcassé: Der Kassationshof verlangte Mitteilung aller Akten-
stücke, die im Ministerium des Aeußern existieren. Ich beauftragte einen
Beamten mit der Uebermittlung und ermächtigte ihn, alle gewünschten Er-
klärungen zu geben. Dieser Beamte demonstriert augenblicklich vor dem
Kassationshof. Nun fragt man außerdem nach Briefen, die Dreyfus an
einen auswärtigen Souverän gerichtet haben sollte. Solche Briefe existieren
im Ministerium des Aeußern nicht und existierten nicht. Kein Beamter